Erweiterte EU: Konflikte, Machtverhältnisse, Linke

Die Finanzierung der EU-Osterweiterung

Juni 2004

Die Europäische Union hat sich offensichtlich an ihrem Jahrhundertprojekt, ihrer Osterweiterung, verschluckt, und dadurch ist sie in eine politische Krise geraten. Dies hatte sich schon im Vorfeld des Irak-Krieges der USA angedeutet, als innerhalb der EU eine Spaltung zwischen Kriegsgegnern und Kriegsbefürwortern eintrat und sich die östlichen Beitrittskandidaten den Forderungen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU entzogen. Gemeinsam mit einigen Alt-EU-Mitgliedern haben sie die außenpolitische Handlungsfähigkeit der EU außer Kraft gesetzt. Dies gab der USA-Regierung die Möglichkeit, eine offene Spaltung zwischen dem so genannten alten und neuen Europa zu propagieren.

Die politische Dimension der Krisensymptome innerhalb der EU wurde noch wesentlich verstärkt durch das Scheitern der Regierungskonferenz der EU zur Beschlussfassung über die „Verfassung für Europa“. Auch hier erwies sich speziell die Regierung Polens als Speerspitze für die Verhinderung einer einvernehmlichen Einigung über den Entwurf des Vertrages über die europäische Verfassung. Die Konsequenz ist jetzt eine faktische Zweiteilung der EU, in der die Länder Kerneuropas den übrigen EU-Ländern gegenüberstehen.

Schwierige Verhandlungen über die künftigen EU-Finanzen

Die größte Bewährungsprobe für die EU wird die Finanzierung der Osterweiterung sein. Die EU steht nunmehr vor der Aufgabe, den mehrjährigen Finanzrahmen für die Periode 2007 bis 2013 zu erarbeiten. Er muss bis Ende 2005 beschlossen sein. Angesichts des durch die EU-Osterweiterung bedingten Mittelbedarfs werden die Etatverhandlungen äußerst schwierig sein. Da der Haushalt der EU im wesentlichen nur Umverteilungsfunktionen erfüllt, werden a priori heftige Umverteilungskämpfe vorrangig zwischen den Nettozahler- und Nettoempfängerländern stattfinden. Da das ökonomische Entwicklungsniveau der neuen mittelosteuropäischen Mitgliedsländer weit unterhalb des EU-Durchschnitts liegt, werden die finanziellen Anforderungen zur Finanzierung der EU-Osterweite­rung gravierende Auseinandersetzungen auch zwischen den Nehmerländern zur Folge haben. Es werden unvermeidlich schwerwiegende Interessenkollisionen zwischen den Nehmerländern in West- und Osteuropa entstehen, weil der EU-Haushalt nicht beliebig vergrößert werden kann, sondern ein gegebenes Haushaltsvolumen neu verteilt werden muss. Großer Streit ist also vorprogrammiert.

Konflikte können aber auch dadurch entstehen, dass bisher begünstigte Regionen und Wirtschaftsbereiche durch die EU-Erweiterung diese Begünstigung teilweise oder gar vollständig verlieren. Diese heranreifende Problematik bedarf einer verantwortungsvollen politischen Behandlung, weil sonst das europäische Einigungsprojekt als Ganzes in Gefahr gerät. Dabei muss auch beachtet werden, dass durch die Osterweiterung für die EU neue ökonomische Stabilisierungsrisiken entstehen. Das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle weist z.B. darauf hin, dass die makroökonomischen Indikatoren bei den mittelosteuropäischen EU-Kandidaten auf eine Erhöhung des Risikopotenzials für Finanzkrisen hindeuten. Vor allem hat sich in den meisten dieser Länder die Deckungsquote der inländischen Geldmenge durch Währungsreserven verschlechtert. Kreditexpansion, Haushaltsdefizite, Defizite in der Leistungsbilanz, Inflation haben sich verstärkt.

Finanzielle Vorausschau bis 2006

Die gegenwärtig gültige Finanzierung der EU wird durch die finanzielle Vorausschau für 2000 bis 2006 (Agenda 2000) bestimmt (vgl. Tabelle 1).

Tab. 1: Finanzielle Vorausschau 2000 bis 2006 für die EU 15 (Mittel der Verpflichtungen in Mrd. Euro, Preise von 1999)

Tabelle siehe Datei zum Download!

Quelle: Jahrbuch der Euopäischen Integration 1999/2000, Institut für Europäische Politik, Europa Union Verlag GmbH, Bonn, 2000, S. 156ff. (Die Angaben hinter dem Komma wurden abgerundet.)

Die finanzielle Vorschau legt die jährliche Obergrenze und auch die jährliche Struktur der Ausgaben fest. Dieser mehrjährige Finanzrahmen ist nach Zustimmung im Europäischen Parlament in einem europäischen Gesetz des Ministerrates festgelegt.

Mit der Agenda 2000 wurde aus haushaltspolitischer Sicht in der EU ein gewisser Paradigmenwechsel eingeleitet. Während bisher die EU-Ausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt kontinuierlich zunahmen, wurde zum ersten Mal eine Stabilisierung der Ausgaben für die EU 15 verankert. Gemäß der Agenda 2000 sollen die gesamten Ausgabenverpflichtungen der EU einschließlich Osterweiterung demnach von 2000 bis 2006 von 1,13 Prozent auf 1,12 Prozent gesenkt werden. Die Ausgabenverpflichtungen ohne Osterweiterung sollen für diesen Zeitraum von 1,13 Prozent auf 0,97 Prozent reduziert werden. Auf die Beitrittsländer entfielen dann im Jahre 2006 insgesamt 14,22 Mrd. Euro (= 13,0 Prozent der Ausgabenverpflichtungen). Bezieht man auch die so genannten Vorbeitrittshilfen für die Osterweiterung in Höhe von 3,12 Mrd. Euro ein, so würde sich der Anteil der Neumitglieder an den EU-Haushaltsausgaben 2006 auf 16,4 Prozent belaufen. Berücksichtigt man, dass durch die EU-Erweiterung die Bevölkerung der EU um etwa ein Viertel und das Territorium um rund ein Drittel vergrößert wird, erscheint diese Ausgabenverteilung wenig plausibel, zumal die Bedürftigkeit der Neumitglieder im Vergleich zu den Altmitgliedern der EU ohne jeden Zweifel erheblich größer ist.

Die so genannten Vorbeitrittshilfen werden mit drei Instrumenten realisiert:

- PHARE: 1560 Mio. Euro (Vorbeitrittshilfe zur Stärkung der Verwaltungs­kapazität und für Investitionen);

- SAPARD: 520 Mio. Euro (Vorbeitrittshilfe in der Landwirtschaft, speziell für die Modernisierung der Vermarktungswege und die ländliche Entwicklung);

- ISPA: 1040 Mio. Euro (Vorbeitrittshilfe für die Finanzierung von Umwelt- und Infrastrukturprojekten).

Für den Gesamtzeitraum von 2000 bis 2006 sind dies 21,8 Mrd. Euro. Für die Zeit ab 2002 werden virtuell außerdem erhebliche Mittel für eventuell bereits stattfindende Beitritte vorgesehen, deren Mobilisierung jedoch jeweils einer neuen Entscheidung bedarf, wenn über Zeitpunkt und Umfang der Erweiterung endgültige Klarheit besteht.

Die für die endgültige Erweiterung zurückgestellten Mittel für die Neumitglieder beliefen sich laut Agenda 2000 auf insgesamt 45,4 Mrd. Euro für die Periode 2000 bis 2006. Es wurde dabei unterstellt, dass die Landwirte der Beitrittsländer keine direkten Einkommenshilfen erhalten. Bei den Strukturmitteln wurde die Obergrenze von vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts festgelegt, die gemäß der neuen Strukturverordnung in keinem Mitgliedsland überschritten werden darf.

In der Folgezeit wurden an diesen Finanzplanungen bestimmte Präzisierungen vorgenommen, die sich z.B. aus dem späteren Beitrittstermin und aus bestimmten Veränderungen in der Agrarfinanzierung und Regionalförderung ergaben. So wurde 2002 doch noch eine Beteiligung der Landwirte der Neumitglieder am System der Agrarbeihilfen vereinbart. Jedoch sollen sie bedeutend weniger bekommen als die Landwirte in den alten EU-Ländern, und zwar 2004 nur 25 Prozent, 2005 nur 30 Prozent, bis schließlich im Jahre 2013 endlich 100 Prozent erreicht werden sollen. Inzwischen musste den Einwänden der Neumitglieder Rechnung getragen werden, so dass für 2004 nunmehr eine 40 Prozentige Einstiegsfinanzierung beschlossen wurde. Die Benachteiligung bleibt damit aber prinzipiell bestehen.

Die für die EU-Erweiterung geplanten Mittel wurden bisher bei weitem nicht voll in Anspruch genommen. Die letzten EU-Haushalte wiesen insgesamt eine bedeutende Unterausführung auf (11,6 Mrd. Euro im Jahre 2000 und 15 Mrd. Euro im Jahre 2001). Hauptsächlich war dies aber einer geringeren Nutzung der Strukturfonds geschuldet. Auch die Haushalte 2002 und 2003 bewegen sich deutlich unter den Planungen der 1999 in Berlin beschlossenen Agenda 2000. So lag der Haushaltsplan 2003 um 5,3 Mrd. Euro unter der ursprünglichen langfristigen Finanzplanung für dieses Jahr. Dies gelang trotz der vom Europäischen Parlament veranlassten zusätzlichen Maßnahmen zur Förderung der Grenzregionen zu den Beitrittsländern, die aber insgesamt viel zu gering ausfielen und keine ausreichende Beitrittsvorbereitung der Grenzregionen ermöglichten.

Insgesamt deutet sich an, dass die EU die Kosten der Erweiterung stark begrenzt und z.T. auf die Beitrittskandidaten abgewälzt hat (z.B. Verweigerung der Zahlung der vollen Direktbeihilfen für die Landwirte). Dieser engherzige Finanzierungsrahmen ist zwangsläufig Resultat der Tatsache, dass die Aufnahme einer großen Zahl von Ländern mit hohem ökonomischem Entwicklungsrückstand forciert wurde, aber gleichzeitig die Bereitschaft fehlte, die notwendigen finanziellen Konsequenzen dieser Maßnahme zu tragen. So sollen die Regelungen der EU nicht uneingeschränkt auch für die neuen Mitgliedsländer zur Geltung kommen.

Umverteilung der EU-Finanzmittel durch Osterweiterung

Die Umverteilung von Finanzmitteln innerhalb der EU infolge der Osterweiterung wird einen erheblichen Umfang annehmen und flächenwirkend vitale Interessen in fast allen EU-Ländern berühren. Dies zeigt sich besonders deutlich am Beispiel der Struktur- und Regionalpolitik. Die magische 75-Prozent-Schwelle für die Bestimmung von Ziel-1-Regionen wird dazu führen, dass die durchschnittliche EU-Wirtschaftsleistung von derzeit 18.000 Euro pro Kopf der Bevölkerung auf rund 16.000 Euro absinkt. Von den aus den mittelosteuropäischen Mitgliedsländern neu hinzukommenden 54 Regionen liegen nur drei Regionen (Prag, Bratislava und Budapest) oberhalb dieser Wirtschaftsleistung. Die anderen 51 Regionen wären demnach Ziel-1-Förderregion mit Anspruch auf Höchstförderung. Die bislang von der EU geförderten westeuropäischen Ziel-1-Regionen würden dagegen diesen Status weitgehend verlieren.

Besonders negativ würden sich diese Veränderungen für Ostdeutschland auswirken. Die neuen Bundesländer erhalten durchgängig als Ziel-1-Regionen beträchtliche Mittelzuweisungen aus Brüssel. Sie erreichen einen Umfang von jährlich rund 2,5 Mrd. Euro und stellen faktisch eine letzte Basis für wirtschafts- und sozialpolitisches Handeln der ostdeutschen Landesregierungen dar.

Angesichts der durch die EU-Erweiterung entstehenden statistischen Reduzierung des EU-Durchschnitts im Pro-Kopf-Inlandsprodukt stehen die ostdeutschen Regionen plötzlich mit einer Wirtschaftsleistung von über 75 Prozent des EU-Durchschnitts da. Bezogen auf das Gesamtgebiet Ostdeutschland steigt die statistisch ausgewiesene Wirtschaftsleistung von derzeit 69,6 Prozent der durchschnittlichen Wirtschaftsleistung der alten EU auf 76,7 Prozent der Durchschnitts-Wirt­schaftsleistung der erweiterten EU. Das Land Brandenburg hat hierauf schon jetzt reagiert, indem es eine Aufteilung der Förderregion Brandenburg in eine reichere südbrandenburgische und eine ärmere nordbrandenburgische Region vorgenommen hat. Die Landesregierung hofft, so wenigstens für Nordbrandenburg den Status der Ziel-1-Region aufrechterhalten zu können.

Weitere Risiken für die ostdeutschen Regionen entstehen durch die beginnende Arbeitnehmer- und Dienstleistungsfreiheit, wobei die Hauptprobleme in den Grenzregionen zu erwarten sind. Schon jetzt gehören z.B. die Grenzstädte Görlitz und Frankfurt/Oder zu den wirtschaftlich am wenigsten attraktiven Städten Deutschlands. Sie nehmen in der Rangordnung der 438 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte die hintersten Plätze ein.

Die Frontlinien der neuen Verteilungskämpfe berühren jedoch auch eine Reihe westdeutscher Regionen. Viele westdeutsche Kommunen und z.T. auch Länder werden auf den bisherigen Geldregen aus Brüssel verzichten müssen, z.B. auf die Mittelzuflüsse für die so genannten Ziel-2-Regionen, mit deren Hilfe insbesondere der Umbau alter Industriereviere vorangetrieben oder die Verslumung mancher Städte bekämpft werden kann. So wurden seit 1989 EU-Strukturför­dermittel in Höhe von ca. 3 Mrd. Euro in die Industriereviere von Nordrhein-Westfalen investiert. Künftig werden jedoch wahrscheinlich auch die Ziel-2-Programme auslaufen. Gegenwärtig wird allenthalben um die Fortführung der bisherigen Fördermaßnahmen oder zumindest um angemessene Übergangslösungen mit degressivem Verlauf der Förderumfänge gekämpft.

Neues EU-Finanzierungsmodell auf der Tagesordnung

Die Lösung der Finanzierungsprobleme der EU kann nicht auf eine bloße Debatte über das künftige Volumen des EU-Haushalts reduziert werden. Im Grunde genommen bedeutet die EU-Osterweiterung einen deutlichen Bruch mit der gesamten bisherigen EU-Geschichte. Alle Parameter der künftigen Integration verändern sich grundlegend. Das Grundproblem ist das große und sehr dauerhafte sozialökonomische Entwicklungsgefälle zwischen Ost und West. Es stellt nicht nur die Funktionsprinzipien des Binnenmarktes und des so genannten aquis communautaire in Frage, sondern führt innerhalb der EU zwangsläufig zu scharfen Verteilungskonflikten hinsichtlich der Agrarsubventionen sowie der Regional- und Strukturfonds. Machtkämpfe, Entscheidungsblockaden und eine stagnierende Integration sind wahrscheinliche Konsequenzen dieser Situation.

Obwohl am 25. Juni 2002 die noch aus dem Jahr 1977 stammende EU-Haus­haltsordnung neugefasst worden ist, entspricht dies noch nicht den aktuellen Erfordernissen. Die veränderte Situation in einer erweiterten EU erzwingt ein neues Muster der Integration und dabei speziell auch eine Umgestaltung der EU-Finanzverfassung. Dabei muss konsequent von den gemeinsamen Zielen der europäischen Integration, von den bisherigen Erfahrungen der EU-Integration und von den anstehenden Bedingungen und Herausforderungen in der EU ausgegangen werden.

Zu klären sind dabei insbesondere folgende Fragen:

- Inwieweit sollte es eine zukünftige finanzielle Autonomie der Europäischen Union geben? Würde dies zu einer besseren Finanzierung der Integrationsprojekte und -mechanismen führen? Würde die eigenständige Erhebung einer Europasteuer anstelle der bisherigen Mittelzuweisungen durch die EU-Länder (Abführungen aus den nationalen Steuereinnahmen) zu einer höheren Akzeptanz der EU-Integration bei den Bürgern beitragen?

- Wie kann der Tendenz der Herausbildung einer Mitgliedschaft zweiter Klasse entgegengewirkt werden, bei der den neuen Mitgliedsländern die Gewährung gleicher ökonomisch-finanzieller Rechte verweigert wird?

- Wie können die Kosten für die EU, die sich aus der Osterweiterung ergeben, in einem vernünftigen Rahmen gehalten werden? (Anmerkung: Eine stärkere Assoziierung wäre nach Auffassung mancher Ökonomen für alle Beteiligten günstiger und kostengünstiger gewesen als der EU-Beitritt.)

- Wie kann verhindert werden, dass sich der Eindruck weiter Bevölkerungskreise in den Geberländern verfestigt, wonach die finanziellen Belastungen durch die EU-Beitragszahlungen als unfair bzw. als ungerechtfertigt empfunden werden? Wie kann die Herstellung eines Grundkonsenses der EU-Bürger über die vermittels der Agrar- und Strukturpolitik verlaufenden Umverteilungen von Ressourcen innerhalb der EU besser bewerkstelligt werden?

- Wie kann die Transparenz des EU-Finanzsystems im Hinblick auf die Umverteilungseffekte zwischen den Mitgliedsländern und die damit für die Bürger entstehenden Kosten verbessert sowie die Wirksamkeit bestimmter Lobbies und Missbräuche eingeschränkt werden?

Generell ist zu berücksichtigen, dass sich das EU-Finanzsystem erheblich von den nationalen Finanzsystemen unterscheidet. Eine geringe Autonomie der EU auf der Einnahmenseite resultiert aus der Spezifik der Ausgabenseite (Realisierung politisch gewollter Umverteilungen zwischen den Ländern). Dies bedingt ein hohes Interesse der Mitgliedsländer an der Bestimmung des Budgetvolumens sowie die notwendige Einstimmigkeit der Budgetentscheidungen. Damit wollen die Mitgliedsländer eine ungebührliche Ausbeutung von überstimmten Minderheiten und eine Ausweitung der umverteilungsintensiven Politiken verhindern.

Reparaturmaßnahmen auf der Einnahmenseite des EU-Haushalts mögen die EU-Finanzprobleme zwar kurzfristig lösen, aber längerfristig könnten sie zu einer weiteren Verschärfung dieser Probleme beitragen.

Unterschiedliche Handlungsvarianten für die Finanzierung der EU-Erweiterung

Um die EU-Osterweiterung ökonomisch zu verkraften, sind in der offiziellen Regierungspolitik für die Etat-Diskussion zwei unterschiedliche Handlungsvarianten zu erkennen:

1. Beibehaltung der bisherigen tatsächlichen Ausgabenobergrenze für die Europäische Union von derzeit weniger als einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Mitgliedsländer und damit prinzipielles Einfrieren des gegenwärtigen Etats der EU für die EU 15 in Höhe von rund 100 Mrd. Euro.

Bei Einrechnung der ab 2004 beitretenden 12 Kandidaten würde der Haushalt 2013 etwa 113 Mrd. Euro betragen. Der Anteil der Neumitglieder wäre dann mit jährlich rund 13 Mrd. Euro auf 11,5 Prozent der gesamten Haushaltsausgaben der EU 27 festgelegt. Diese Position wird vornehmlich von den entscheidenden Geberländern der EU-Haushaltsmittel eingenommen. Das liefe aber auf eine prinzipielle Umverteilung der Ausgaben der EU zwischen den alten und neuen Nehmerländern hinaus. Mitte Dezember 2003 haben sich sechs EU-Nettozahler bereits öffentlich gegen eine Ausweitung der EU-Ausgaben nach der EU-Osterweiterung ausgesprochen (Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Niederlande, Schweden und Österreich).

2. Erhöhung des Haushaltsvolumens der Europäischen Union um eine Dimension, die dem gewaltig ansteigenden Finanzbedarf der sich vergrößernden Union Rechnung trägt

Gemäß dem Anfang Februar 2004 von der EU-Kommission vorgeschlagenen Finanzrahmen für den neuen Sieben-Jahre-Haushaltsplan sollen die EU-Ausgaben bis 2013 von derzeit rund 100 auf 156 Mrd. Euro anwachsen. Das entspräche einer Ausgabenerhöhung von gegenwärtig knapp 1 Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts auf 1,11 Prozent. Während die Finanzierung der EU-Agrar­politik gemäß einem früheren Beschluss des EU-Rates mehr oder weniger auf dem Niveau des Jahres 2006 eingefroren werden soll, geht die EU-Kom­mission in Bezug auf die Kohäsions- und Regionalpolitik angesichts der EU-Erweiterung um 12 bedürftige Länder von einer deutlichen Erhöhung der entsprechenden Haushaltsausgaben (Verpflichtungsermächtigungen) aus. Von 30,5 Mrd. Euro im Jahre 2004 soll deren Umfang bis 2013 auf 51 Mrd. Euro ansteigen. Damit würden diese Ausgaben die bisher führende Ausgabenposition Agrarwirtschaft deutlich übertreffen. Letztere bliebe verharrend beim gegenwärtigen Stand von rund 42 Mrd. Euro.

Mit der Veröffentlichung des dritten Kohäsionsberichts am 18. Februar 2004 legte die Kommission auch erste Vorschläge zur zukünftigen EU-Struktur- und Regionalförderung vor. Für den Zeitraum von 2007 bis 2013 sollen hierfür rund 336 Mrd. Euro eingesetzt werden, also rund ein Drittel mehr als in der noch laufenden Haushaltsperiode. Die EU-Struktur- und Regionalförderung soll künftig auf folgende Schwerpunkte gerichtet sein:

- Finanzierung des so genannten Kohäsionsfonds, der für Länder geschaffen wurde, deren Wirtschaftsleistung unterhalb von 90 Prozent des EU-Durch­schnitts liegt. Bisher betraf dies Griechenland, Portugal, Spanien und Irland. Da alle vorgesehenen 12 Beitrittsländer künftig Ansprüche haben werden, müssen die Mittel beträchtlich aufgestockt werden. Allerdings werden Irland und Spanien dann wahrscheinlich nicht mehr durch diesen Fonds begünstigt werden.

- Finanzierung von Konvergenzprogrammen zur Förderung besonders benachteiligter Regionen, deren Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung unterhalb von 75 Prozent des EU-Durchschnitts liegt (so genannten Ziel-1-Regionen). Da 91 Prozent der – im Zuge der Erweiterung – zur EU hinzukommenden Regionen ein entsprechend niedriges wirtschaftliches Leistungsniveau aufweisen, wird eine gravierende Umschichtung und Erhöhung der Ausgaben für die Regionalförderung erforderlich.

- Eröffnung einer neuen 1b-Förderung für jene Regionen, die im Zuge der EU-Erweiterung infolge der statistisch eingetretenen Verringerung des EU-Durchschnitts im Pro-Kopf-Inlandsprodukt ihren bisherigen Status als Ziel-1-Region verlieren. Diese Regionen sollen ab 2007 zunächst noch 85 Prozent der bisherigen Höchstförderung erhalten. Danach sollen diese Zahlungen aber bis 2013 schrittweise auf 50 Prozent abgesenkt werden. Voraussichtlich werden dafür 22 Mrd. Euro benötigt. Endgültig soll jedoch anhand der Wirtschaftsdaten für 2004 entschieden werden, welche Regionen hiervon betroffen sind.

- Finanzierung einer neudefinierten Ziel-2-Förderung zur Verbesserung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung notleidender Regionen, wofür 18 Prozent der Kohäsions- bzw. Struktur- und Regionalfondsmittel eingesetzt werden sollen.

Außerdem sollen aus einem letzten – mit 4 Prozent der Gesamtsumme bestückten – Topf spezielle grenzüberschreitende Programme zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Regionen unterschiedlicher Länder bezuschusst werden.

Insgesamt dürfte der Kommissionsvorschlag dazu führen, dass die Strukturfördergelder je zur Hälfte in die alten und neuen EU-Mitgliedsländer fließen.

Angesichts der Tatsache, dass die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung der 2004 beitretenden 10 Staaten nur bei 46 Prozent des Durchschnitts der EU 15 liegt und die aller 12 Neumitglieder knapp 40 Prozent erreicht, entspricht diese Verteilung noch nicht den Erfordernissen eines raschen Angleichungsprozesses. Aber auch die Kommission ist sich darüber im Klaren, dass ein stärkerer Abbau der Strukturförderung in Westeuropa politisch nicht durchsetzbar ist. So wird z.B. durchaus überzeugend dagegen gewettert, dass die neuen Beitrittsländer im Osten teilweise ein extremes Steuerdumping betreiben, um ausländische Investoren anzulocken. Dafür werden faktisch auch die EU-Fördermittel eingesetzt. Stoiber stellte dazu fest: „Es gibt Verlagerungen von Arbeitsplätzen, wo wir wehrlos sind, weil es keinen fairen Wettbewerb mit den osteuropäischen Beitrittsländern gibt. Mit deutschen Steuergeldern darf nicht mehr die Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Osteuropa finanziert werden.“ (Vgl. Neues Deutschland vom 13.4.2004) Nicht erwähnt wird aber bei dieser berechtigten Kritik die Tatsache, dass sich gerade die CDU/CSU-Führung gegen eine Steuerharmonisierung im Prozess der EU-Integration gewehrt hat. Gewerkschaftliche und linke Forderungen für eine gewisse Vereinheitlichung der Unternehmenssteuern wurden von den Regierenden in Deutschland stets als „Teufelszeug“ denunziert und strikt abgelehnt.

Plädoyers für Aufstockung der EU-Mittel

Abweichend von den beiden Grundvarianten der aktuellen Konzepte zur EU-Haushaltspolitik für den Zeitraum von 2007 bis 2013 gibt es vielfältige politische Kräfte, die für eine deutliche Erhöhung der Haushaltsmittel und Ressourcen der EU plädieren. Teilweise wird diese Forderung mit dem Vorschlag auf Einführung einer eigenen Steuerhoheit der EU, d.h. mit der Einführung einer Europasteuer für die Bürger und Unternehmen der EU verbunden. Für eine solche enorme Aufstockung der EU-Mittel würden sich wahrscheinlich in erster Linie die neuen EU-Mitglieder begeistern, denn sie wären dann als die am meisten Bedürftigen auch die am meisten Begünstigten einer solchen Entscheidung.

Besonders in den Diskussionen linker Kräfte in Deutschland wird dieser Politikansatz teilweise sehr engagiert vertreten. So wird z.B. die vom EU-Gipfel in Berlin beschlossene Agenda 2000 von der Arbeitsgruppe europäischer Wirtschaftswissenschaftler für eine alternative Wirtschaftspolitik in Europa (Europäische Memorandumgruppe) scharf kritisiert, weil sie den Herausforderungen der EU-Osterweiterung und auch der Notwendigkeit wirksamer Maßnahmen in Bezug auf die Überwindung der anhaltenden Stagnationserscheinungen in der Wirtschaft der EU sowie auch den Aufgaben beim Ausbau transeuropäischer Verkehrs-, Kommunikations- und Energienetze bei weitem nicht entspricht. Anstelle einer geplanten Kürzung fordert die Europäische Memorandumgruppe eine starke Ausweitung des EU-Budgets. Um die Kohäsion innerhalb der künftigen EU 27 zu verbessern, wird daher bis 2013 eine schrittweise Erhöhung des EU-Haushalts bis auf 5 Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts für erforderlich gehalten („EuroMemo 2002“, S. 64). Die Hälfte der zusätzlichen Haushaltsmittel sollten gemäß dieser Forderung den Strukturfonds zufließen. Weitere 10 Mrd. Euro sollten schon bis 2006 den Kandidatenländern zusätzlich als Beitrittshilfe zur Verfügung gestellt werden.

Es gibt aber auch eine völlig entgegengesetzte Konzeption. So wurde vom wissenschaftlichen Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium eine Neuordnung des EU-Finanzsystems vorgeschlagen, die auf eine partielle Renationalisierung jener Ausgabenfelder des EU-Haushalts gerichtet ist, die einen hohen Beihilfecharakter tragen. Gleichzeitig sollte parallel dazu eine Erweiterung des Beihilfenrechts im Rahmen des EU-Wettbewerbsrechts stattfinden, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Diese ersatzlose Streichung der Umverteilungspolitiken soll den EU-Haushalt von seiner Transferlastigkeit befreien und die EU-weite Akzeptanz der europäischen Integration bei den Bürgern aller Mitgliedsländer erhöhen. Zur Realisierung solidarischer Hilfe für schwächere Länder sollte ein spezieller Kompensationsfonds gegründet werden, aus dem hilfsbedürftigen Ländern Mittel ohne bürokratischen Apparat zur eigenständigen Verwendung in transparenter Weise zur Verfügung gestellt werden können.

Einige Schlussfolgerungen

Ausgehend von den vorgenannten Punkten ziehe ich folgende Schlüsse:

1. Die derzeitige Krisensituation in der EU ist zwar auch durch die ungelösten Probleme der EU-Osterweiterung bedingt, aber die tieferliegende schwärende Ursache ist die weitgehend fehlende und sich z.T. sogar abschwächende Identifikation der Bürger der Teilnehmerländer mit der EU-Integration. Es fehlt vor allem an einer großen identitätsstiftenden Vision. Diese Vision könnte z.B. in der Verteidigung des europäischen Sozialstaates unter den Bedingungen der marktradikalen Globalisierung sein. Tatsächlich aber bewegt sich die EU auf den Schienen einer zunehmenden Diktatur des europäischen Binnenmarktes. Wachsende Konkurrenz, mangelnde Transparenz und Demokratie, zugespitztes Machtgerangel, wachsender Egoismus sowie allseitiger Abbau sozialer Errungenschaften bei gleichzeitig zunehmender Militarisierung prägen das Bild der EU. Hierin einzuordnen ist auch die Tendenz zur Schaffung einer Zwei-Klassen-Mitgliedschaft in der EU, die vor allem zu Lasten der jetzt neu aufzunehmenden Länder geht.

Auch die Lösung der Finanzierungsprobleme kann nur im engen Zusammenhang mit dem Kampf um ein friedliches, soziales, demokratisches und auch ökologisches Europa behandelt werden.

2. Um eine tragfähige Finanzierung der EU-Osterweiterung zu sichern, muss offensichtlich auch an der weiteren Reformierung der Umverteilungspolitiken in der EU gearbeitet werden. Nur so können die schon bestehenden Fehlentwicklungen gebremst und die Kosten der EU-Integration im finanzierbaren Rahmen gehalten werden.

Für die Neuorientierung der Agrarpolitik gilt es, den negativen ökologischen und gesundheitlichen Folgen (z.B. Nitratverseuchung im Boden, BSE-Krise, Genmanipulation usw.) der bisherigen – auf ständige Intensivierung und Ausdehnung der Landwirtschaft gerichteten – Regelungen einen Riegel vorzuschieben.

Die im Sommer 2003 erfolgte Einigung auf eine Reform zur gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) trägt in einer Reihe von Punkten diesen Forderungen bereits Rechnung, muss aber nun in einheitlicher Weise in allen EU-Mitgliedslän­dern in nationales Recht umgesetzt werden. Inhaltlich geht es dabei im Zeitraum ab 2007 um eine schrittweise Kürzung der bisher praktizierten, auf Produktionsmengen bezogenen, Direktzahlungen an die Bauern und um die sukzessive Überleitung der Agrarförderung zu einem regionalisierten, also auf die Acker- und Grundflächen bezogenen Prämiensystem. Diese Entkopplung der Prämienzahlungen von der Produktionsmenge soll die Finanzierung von Überproduktionen vermeiden und zugleich darauf gerichtet sein, den Bauern die Erfüllung bestimmter Standards des Umwelt- und Tierschutzes sowie der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit zu honorieren. Im Interesse eines fairen Wettbewerbs innerhalb der EU müsste aber gesichert werden, dass alle Länder diesen Entkopplungsprozess im gleichen Maße und mit gleichem Tempo vollziehen. Ein einheitliches Vorgehen müsste auch bei den Umwelt-, Natur- und Tierschutzstandards gesichert werden.

Die enormen Ausgaben für die Subventionierung der EU-Agrarpolitik in Höhe von jährlich über 40 Mrd. Euro könnten wesentlich reduziert werden, wenn die seit 1992 eingeleitete Weltmarktausrichtung der europäischen Landwirtschaft (System der EU-Exportstützungen) eingeschränkt und schließlich gänzlich beseitigt werden würde. Dies würde einem subventionierten Absatz von Agrarerzeugnissen zu Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt entgegenwirken und in vielen Entwicklungsländern endlich die Entstehung einer einheimischen Ernährungsbasis ermöglichen.

Sukzessive abgebaut werden muss auch das System der Subventionierung von Produktionsüberschüssen innerhalb der EU. Demgegenüber muss die mangelhafte Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Nahrungsgüterwirtschaft in den Beitrittsländern in der Agrarpolitik besondere Berücksichtigung finden. Generell sollte anstelle der bürokratisch-zentralisierten Brüsseler EU-Agrarpolitik künftig mehr Eigenverantwortung der Länder und Regionen greifen. Die stärkere Beteiligung der ländlichen Bevölkerung, die Nutzung der regionalen und lokalen Initiativen und Potentiale sowie die Überwindung der bisherigen Vernachlässigung der ländlichen Räume müssten durch eine entsprechende Gestaltung der EU-Agrarfonds in den Vordergrund gerückt werden. Ähnliches gilt für die Struktur- und Regionalpolitik, die mit Ausgaben in Höhe von jährlich rund 30 Mrd. Euro den zweitgrößten Ausgabenposten im EU-Haushalt repräsentiert.

Generell muss der Solidargedanke im EU-System gefestigt werden. Jedoch sollte sich die Förderungswürdigkeit der Regionen nicht allein an der bürokratisch festgelegten statischen Größe von 75 Prozent des EU-Durchschnitts im Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt orientieren, sondern anhand einer komplexen Beurteilung von Schwerpunkten zur Überwindung von gravierenden Wohl­stands- und Entwicklungsunterschieden ausgerichtet werden (z.B. Niveau der Armut und Arbeitslosigkeit, Stand der Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen usw.). Die bisherigen Ziel-1-Regionen innerhalb der EU sollten künftig nicht schlechter gestellt sein als vor der EU-Erweiterung.

Auch die Fördermaßnahmen für Umstellungsregionen (Ziel 2) und für sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen (Ziel 3) sollten erhalten bleiben, da anderenfalls bestehende Benachteiligungen ignoriert werden und tiefgehende Frustrationen gegenüber der EU-Osterweiterung in den betroffenen Regionen und Bevölkerungsgruppen entstehen könnten.

Allerdings müssen auch strengere Kriterien für den sinnvollen und effektiven Einsatz der Mittel durchgesetzt werden. Es ist z.B. kaum zu verstehen, dass in Hamburg als einer der reichsten Regionen in Europa in St. Pauli aus Mitteln des Ziel-2-Topfes ein türkisches Dampfbad und das Pflaster auf dem Spielbudenplatz („Der Spiegel“, Nr. 50/2003, S. 62) finanziert werden. Auch der Bau von flächen­deckenden Reitwegen in Ostdeutschland oder die Finanzierung von Spaßbädern und Gartenschauen dürfte nicht unbedingt Anliegen der Ziel-1-Förderung sein.

Neue Rahmenbedingungen müssten auch für die Finanzierung der Euro-Regio­nen geschaffen werden, um bestehende Defizite bei der Gestaltung der grenznahen Infrastruktur zu beseitigen und die grenzüberschreitende Unternehmenskooperation besser fördern zu können. Generell müsste zu einer integrierten Regional- und Raumordnungspolitik in den Grenzregionen übergegangen werden. Das erfordert aber wesentlich mehr Gelder für die Förderung dieser Regionen.

3. In Verbindung mit der EU-Erweiterung sollte die bereits seit längerer Zeit überfällige EU-Finanzreform forciert werden. Das betrifft vor allem die Sicherung einer hohen Transparenz und demokratischen Entscheidungsfindung in Bezug auf die Gestaltung der Einnahmen und Ausgaben der EU. Das erfordert wesentlich höhere Befugnisse des Europäischen Parlaments bei Budgetentscheidungen analog der Praxis in den nationalen Parlamenten, aber auch ein höheres Maß an Subsidiarität bei der Planung und Verwendung der Finanzmittel.

Angesichts der zahlreichen Finanzskandale in der EU muss auch ein wesentlich wirksameres Instrumentarium der Finanzkontrolle aufgebaut und funktionsfähig gemacht werden. Im Interesse einer größeren Transparenz im EU-Finanzwesen sowie auch einer stärkeren Identifikation der Bürger mit der EU sollte durchaus auf die Einführung einer Art Europa-Steuer hingearbeitet werden. Dies sollte aber nicht mit einer Steuerautonomie der EU-Institutionen verbunden sein, da sonst eine ungerechtfertigte Selbstbedienungsmentalität der EU-Behörden entstehen könnte. Die Verabschiedung ausgehandelter längerfristiger Finanzpläne (finanzielle Vorausschau) durch den Europäischen Rat und das Europäische Parlament sollte also unbedingt beibehalten werden. Die Europa-Steuer hätte dann die Funktion, den Bürgern zu signalisieren, in welchem Maße sie an der EU-Finanzierung beteiligt sind.

Zu überprüfen wäre sicher auch die Einführung der Möglichkeit, dass die EU in bestimmtem Umfange und für bestimmte Zwecke Kredite auf dem Kapitalmarkt in Anspruch nehmen kann.

4. Abschließend muss darauf hingewiesen werden, dass natürlich im Interesse der Gleichberechtigung auch deutlich mehr Mittel für die EU-Osterweiterung bereitgestellt werden müssen als bisher geplant. Schon jetzt gibt es dafür relativ große Spielräume, denn die langfristig festgelegte Obergrenze für die EU-Finanzausgaben in Höhe von 1,27 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aller EU-Mitgliedsländer ist bei weitem noch nicht erreicht. Berücksichtigt man dabei, dass durch die neuen EU-Mitgliedsländer das Bruttoinlandsprodukt der erweiterten EU um annähernd 8 Prozent höher ausfallen wird als das der alten EU, dann ergeben sich in absoluten Zahlen auch dadurch größere Finanzierungsspielräume als bisher projektiert. Für die weitere Zukunft muss man natürlich auch über eine gewisse Erhöhung der Obergrenze der möglichen EU-Ausgaben nachdenken. Dies sollte aber anhand der Erfahrungen bei der praktischen Umsetzung der EU-Erweiterung geschehen.