Kapitalismuskritik

„Der neue Geist des Kapitalismus"

Stärken und Schwächen eines Erklärungsversuchs

Juni 2005

Mit ihrer Studie „Der neue Geist des Kapitalismus“ unternehmen Luc Boltanski und Ève Chiapello[1] einen großangelegten Versuch, den modernen Kapitalismus am Beispiel Frankreichs zu analysieren. Dieser Versuch unterscheidet sich wohltuend von dem hochtrabenden intellektuellen Chic und prophetischen Gestus, der auf zweifelhafte Weise Bücher wie „Empire“ von Michael Hardt und Antonio Negri (Hardt/Negri 2002) ziert. Die Untersuchung von Boltanski/Chiapello (im folgenden mit B./C. abgekürzt) beruht auf umfangreichen Recherchen, bemüht sich um eine schlüssige Argumentation, stützt sich auf empirische Analysen und bemüht sich durchgängig, die Zusammenhänge zwischen theoretischer Reflexion und Wirklichkeitsbeschreibung herauszuarbeiten. Zu loben ist die Bereitschaft der Autoren, ausgefahrene Gleise der Kapitalismusdiskussion zu verlassen und in einem originellen Zugriff das spezifisch Neue am Kapitalismus unserer Tage sichtbar zu machen. Positiv sei auch die gründliche Suche nach Möglichkeiten hervorgehoben, die triumphale Dynamik des modernen Kapitalismus durch ein neues institutionalisiertes Gerechtigkeitsregime einzudämmen. All diese Vorzüge, denen weitere hinzuzufügen sind, ändern aber nichts daran, dass die komplexe soziologische, aber auch ökonomische und philosophische Bezüge aufgreifende Studie in zentralen Punkten Kritik herausfordert.

Kritik als Motor des Kapitalismus

B./C. gehen von der Feststellung aus, dass im Vergleich zu der Situation von 1968, die bekanntlich in Frankreich nicht nur im Zeichen einer studentischen Protestbewegung, sondern auch von Massenstreiks von Millionen von Lohnabhängigen stand, heute ein „völlig neuartiger Kapitalismus“ (21) entstanden sei. Während in der Phase nach 1968 die Kritik sowohl an den Arbeits- und Lebensbedingungen der abhängig Beschäftigten als auch an der Entfremdung in der „Konsumgesellschaft“ den Kapitalismus zu erheblichen materiellen und politischen Konzessionen gezwungen habe, sei die Modernisierung des Kapitalismus in der Dekade zwischen 1975 und 1985 nicht mehr auf nennenswerten Widerstand und Kritik gestoßen. Der Begriff der Kritik erfüllt bei B./C. eine methodisch-theoretische Schlüsselfunktion insofern, als ihm nicht weniger als die Eigenschaft eines der „wirkungsmächtigsten Motoren des Kapitalismus“ (86) zugeschrieben wird. Dahinter steht die Annahme, dass der moderne Kapitalismus nicht ohne moralische Rechtfertigung auskomme und deshalb nicht nur nicht gegen Kritik immun sei, sondern ihrer vielmehr als eines unverzichtbaren dynamisierenden Faktors bedürfe: „Der Geist des Kapitalismus verkörpert nun gerade eine solche Gesamtheit von Glaubenssätzen, die mit der kapitalistischen Ordnung verbunden sind und zur Rechtfertigung dieser Ordnung, zur Legitimation und mithin zur Förderung der damit zusammenhängenden Handlungsweisen und Dispositionen beitragen.“ (46)

Dem geht eine ökonomische Definition von Kapitalismus voraus, die sich auf den ersten Blick mit einem marxistischen Kapitalismusverständnis zu decken scheint: „Von den verschiedenen Definitionsversuchen des Kapitalismus ... der zurückliegenden eineinhalb Jahrhunderte wollen wir eine Minimalformel verwenden, die eine Forderung nach unbegrenzter Kapitalakkumulation durch den Einsatz formell friedlicher Mittel als zentral erachtet. Das Hauptmerkmal des Kapitalismus – das, was ihm die Wandlungsdynamik und -kraft verleiht, die seine Beobachter und selbst seine größten Widersacher faszinierte – besteht darin, dass das Kapital mit dem Ziel der Profitmaximierung, d.h. der Mehrung des sodann erneut investierten Kapitals, immer wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückgeleitet wird“ (39).

Dass B./C. der Kritik eine zentrale Rolle zuweisen, hängt mit ihrem spezifischen Kapitalismusverständnis zusammen. Kapitalismus beschränkt sich ihnen zufolge jedoch nicht auf Kapitalverwertung und Akkumulation, sondern enthält immer auch und zwar notwendig – zumindest seit er sich voll entfaltet hat – eine das subjektive „Engagement für den Kapitalismus“ (43) ethisch und moralisch rechtfertigende Ideologie. Sie ist es nun, die B./C. als „Geist des Kapitalismus“ (46) bezeichnen. Dieser Geist stellt nicht nur keinen juristischen und politischen „Überbau“ gemäß einem orthodoxen Marxverständnis dar, sondern schafft diejenige normative und symbolische Ordnung, an der sich die Handlungsweisen und Dispositionen der Akteure orientieren, die den Kapitalismus aktiv vorantreiben. Damit knüpfen B./C. explizit an Max Webers „Geist des Kapitalismus“ an, gehen aber insofern über dessen Bestimmungen hinaus, als sie darunter mehr verstehen als die Motivation zu rationaler Lebensführung und rastlosem Erwerbsstreben. Bei B./C. tritt die Ideologie der allgemeinen Wohlfahrt hinzu, wie sie sich beispielsweise in der klassischen Nationalökonomie widerspiegelte, als aktivierendes Moment, das den Einsatz für den Kapitalismus rechtfertigt. Der so erweiterte „Geist des Kapitalismus“ bildet den „ideologischen Sockel“, auf dem sich ideologische Transformationen konkret-historisch vollziehen. Es ist B./C. in ihrem Bemühen zuzustimmen, den klassischen marxistischen Ideologiebegriff ebenso wie die Denkweise Max Webers zu erweitern und im Blick auf die aktuellen Erscheinungsformen des Kapitalismus auszubauen, aber ihre eigenen Auffassungen geben gleichzeitig Anlass zu Kritik.

Vor allem drei Punkte sind hier zu erwähnen. Erstens blenden B./C. den institutionell-politischen Aspekt, die Rolle des Staates und die „ideologischen Staatsapparate“ (Louis Althusser) wie zum Beispiel das Schulsystem bei der Produktion und Vermittlung kollektiver Denkformen und Wertorientierungen weitgehend aus.[2] Zweitens rufen sie den Eindruck hervor, dass der „kapitalistische Geist“ nichts anderes als eine Vereinnahmung und Instrumentalisierung von Bestrebungen, die sich ursprünglich gegen ihn richteten, also ausschließlich ein Produkt der am Kapitalismus geübten Kritik sei. Dass der „kapitalistische Geist“, um den Begriff von B./C. beizubehalten, immer auch Elemente beinhaltet, die aus seiner eigenen ökonomisch basierten Logik und nicht der Kritik an ihm entspringen (z.B. die Ideologie des Privateigentums und der Konkurrenz) und dass er strukturell und nicht nur sporadisch latente oder manifeste repressive Denk- und Verhaltensmuster transportiert,[3] die aus der Instrumentalisierung des Menschen als Arbeitskraft und des rücksichtslosen Verbrauchs der natürlichen Lebensgrundlagen notwendig hervorgehen, fällt aus den Überlegungen von B./C. heraus. Ein dritter Einwand richtet sich dagegen, dass die Autoren, auch wenn sie dies nicht beabsichtigen, den Schluss nahe legen, dass Alternativen zum Kapitalismus nicht möglich sind und allenfalls systemimmanente Reformen Aussicht auf Erfolg haben, weil der „kapitalistische Geist“ die an ihm geübte Kritik permanent aufzusaugen und in eigene Antriebskräfte zu transformieren vermag.

Historische Entwicklung des „kapitalistischen Geistes“

Hinsichtlich der historischen Entwicklung unterscheiden B./C. drei Hauptphasen des „kapitalistischen Geistes“. Die erste Phase oder, um mit B./C. zu sprechen, der „erste Geist“ setzt gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein und wird von dem Typ des Bourgeois-Unternehmers geprägt, in dessen Habitus familienweltlicher Traditionalismus und rationalisierende Aktivitäten verschmelzen. Es handelt sich um einen paternalistischen, oft noch lokal beschränkten, auf Eigentumsvermehrung fixierten und fortschrittsoptimistischen Unternehmerkapitalismus. Diese Phase wird durch einen „zweiten Geist“ abgelöst, der ungefähr in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts entsteht und bis Mitte der siebziger Jahre reicht. Der „zweite Geist“ verlagert den Schwerpunkt vom einzelnen personifizierten Bourgeois auf das Unternehmen als zentralisierte, bürokratisierte industrielle Großorganisation. Sein Ideal ständig wachsender Produktivität wird durch parallele Beteiligung der Beschäftigten am Produktivitätsfortschritt und den allmählichen Ausbau sozialstaatlicher Institutionen ergänzt und sozial kompensiert. Er deckt sich ungefähr mit derjenigen Periode, die in der Literatur häufig als „Fordismus“ bezeichnet wird. Der „zweite Geist“ definiert sich durch eine Mentalität der Beherrschung großer Unternehmen, ein Denken in den Parametern effektiver Massenproduktion, Aufstiegserwartung und meritokratischer Positionszuweisungen sowie einer gewissen Akzeptanz sozialstaatlicher Regulation und Ausgleichspolitiken. Seit den achtziger Jahren entsteht nun jener „dritte“ und „neue Geist“, dem das eigentliche Interesse der beiden Autoren gilt. Für ihn sind Flexibilität, Mobilität, netzwerkförmige Kooperation, Projektarbeit, Innovation und Kreativität charakteristisch. Der „dritte Geist“ entfaltet in der Gegenwart eine hegemoniale Macht und stellt die Kritik heute vor neue, ungelöste Fragen.

Einiges spricht für eine solche Periodisierung, anderes dagegen. So ist es zum Beispiel problematisch, die Phase des „zweiten Geistes“ auf die Zeit zwischen den 1930er und den 1970er Jahren zu datieren, ohne zu erwähnen, dass diese Periode nicht nur durch die von B./C. genannten Kriterien, sondern auch durch Krieg, Besetzung und das Kollaborationsregime von Vichy geprägt wurde, die die Errungenschaften der Volksfront (1935-1938) beseitigten und die zaghaften Anfänge eines „rheinischen Kapitalismus“ brutal unterbrachen. Fast bekommt man bei B./C. den Eindruck, als habe es diese Zeit überhaupt nicht gegeben. Ein ähnlicher Einwand lässt sich auch für die Zeit nach 1945 insofern erheben, als sich eine tiefgreifende Differenz zwischen den ersten Nachkriegsjahren und der Dekade der erneuten Machtübernahme de Gaulles (1958-1968) feststellen lässt, die den Anschein einer Kontinuität und inneren Kohärenz des „zweiten Geistes“ in Frage stellt.[4]

Während nämlich die Jahre bis zum Beginn des Algerienkrieges zu einer Klassenpolarisierung geführt hatten, in der sich die Kommunistische Partei eindeutig als hegemoniale Kraft der Arbeiterklasse erwies, gelang es dem Gaullismus in der folgenden Etappe bis 1968 der französischen Gesellschaft in Gestalt der V. Republik ein autoritär-plebiszitäres Regime aufzuzwingen und gleichzeitig den Konzentrationsprozess des Kapitals erheblich voranzutreiben. Wenn man also den „kapitalistischen Geist“ nicht auf die sozialökonomische Sphäre der Gesellschaft beschränkt, sondern auch seine politischen und kulturellen Faktoren berücksichtigt, ergeben sich möglicherweise andere Markierungen einer historischen Entwicklung als diejenigen, die B./C. vornehmen.

Bei der Beschreibung des den „neuen Geist des Kapitalismus“ legitimierenden Rechtfertigungsregimes, das für die für den Fortgang der Akkumulation unerlässliche subjektive Loyalität und Gemeinwohlorientierung zu sorgen hat, greifen B./C. auf eine Studie von Luc Boltanski und Laurent Thévenot (Boltanski/Thévenot 1991) zurück, in der mit Hilfe von Texten der klassischen politischen Philosophie unterschiedliche Rechtfertigungsregime (sogenannte „cités“)[5] für unterschiedliche gesellschaftliche Handlungssphären identifiziert werden. Damit wollen Boltanski und Thévenot in Abgrenzung von systemisch geschlossenen Vorannahmen über soziales Handeln ein offenes, der Kontingenz und Ambiguität von Handlungssituationen in modernen Gesellschaften angemessenes Erklärungskonzept liefern. Neben den in „De la justification“ dargestellten „Welten“ (mondes) und Rechtfertigungsregimen wird nun hinsichtlich der aktuellen Erscheinungsformen des Kapitalismus und des von ihm hervorgehobenen „neuen Geistes“ ein weiteres Rechtfertigungsregime, nämlich die noch näher zu erläuternde „projektbasierte Polis“(cité par projets) ausgemacht. Wie andere Gesellschaften, die für sich Prinzipien der Gerechtigkeit reklamieren, muss sich auch, wie bereits angesprochen, der moderne Kapitalismus moralisch durch Bindung an das Gemeinwohl legitimieren. Er tut dies, indem er auf expressive und normative Ressourcen zurückgreift, die außerhalb wirtschaftlicher Rationalität liegen (59) und den Widerspruch zwischen kapitalistischer Akkumulation und Allgemeinwohl überbrücken sollen; denn nach B./C. ist ja der moderne Kapitalismus unabdingbar auf universelle Rechtfertigungen angewiesen, wenn er sich gegen „antikapitalistische Kritik“ (65) behaupten will. Die von ihm aufgebotenen Rechtfertigungen müssen sich den konkreten „Bewährungsproben“ des sozialen Lebens im allgemeinen und des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses im besonderen stellen. Insofern setzt der auf ein spezifisches, noch näher zu erläuterndes Rechtfertigungsregime der „projektbasierten Polis“ gestützte „neue Geist des Kapitalismus“ der Akkumulation gewisse Schranken: „Zum einen wird durch die Verinnerlichung der Rechtfertigung seitens der kapitalistischen Akteure die Möglichkeit zur Selbstkritik gegeben sowie Selbstzensur und Selbstausschluss nicht regelkonformer Praktiken innerhalb des eigentlichen Akkumulationsprozesses begünstigt. Zum anderen werden die Bewährungsproben konkretisiert, indem verbindliche Strukturen geschaffen wurden, die alleine im Stande sind, dem Geist des Kapitalismus Glaubwürdigkeit zu verleihen. So werden nachprüfbare Beweise vorgelegt, mit denen sich die erhobenen Anschuldigungen entkräften lassen“ (66).

Mit dem Konzept des „neuen Geistes des Kapitalismus“ wollen B./C. eine Verengung der realen kapitalistischen Entwicklungsdynamik auf Akkumulation und Herrschaft vermeiden, indem sie das Moment der Kritik in diese Dynamik einbeziehen. Es handelt sich also um eine Sichtweise, in der Kritik gleichsam als der dialektische Gegenpol zur Moralabwesenheit des ökonomischen Prozesses fungiert; denn der Kapitalismus könne aus seiner ökonomischen Logik heraus nicht jene „Allgemeinwohlorientierung“ freisetzen, derer er jedoch zu seiner Reproduktion und Erweiterung in einer ohne Identifikation und Konsens nicht auskommenden Welt zwingend bedürfe.[6] An diesem Gedanken fällt nicht nur auf, dass B./C. die ökonomische Logik des Kapitalismus von den aus ihr hervorgehenden oder mit ihr verflochtenen Herrschaftsverhältnissen (letzteres gilt etwa für patriarchalische Herrschaft, die keine genuin kapitalistische Erscheinung ist, aber sich für die Zwecke kapitalistischer Warenproduktion in mehrfacher Hinsicht als anschlussfähig und profitabel erweist) begrifflich ablösen, sondern auch, dass sie Kritik generell der Bestandssicherung des Kapitalismus funktional unterordnen: „Wenn die Kritik sich erschöpft hat, wenn sie geschlagen ist oder an Schärfe verliert, kann der Kapitalismus seine Gerechtigkeitsstrukturen lockern und ungestraft den Produktionsprozess verändern. Eine Kritik, die dagegen an Schärfe und Glaubwürdigkeit gewinnt, zwingt den Kapitalismus, seine Gerechtigkeitsstrukturen zu konsolidieren. Bei günstigen politisch-technologischen Rahmenbedingungen könnte sie andererseits auch einen Anreiz bilden, Transformationsprozesse einzuleiten und dadurch die Spielregeln unkenntlich zu machen“ (71).

Der „neue Geiste“ des Kapitalismus

Kritik am und im Kapitalismus, die allgemein von „vier Quellen der Empörung“ (79 ff.)[7] gespeist wird, tritt B./C. zufolge in zwei Grundformen auf, die sich historisch sowohl überschneiden als auch polarisieren können. Die erste Form ist die „Sozialkritik“. Sie umfasst Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit und Egalität, Einschränkung der Ausbeutungsmethoden, Beteiligung der Beschäftigten am Wachstum, Verbesserung der Arbeitsbedingungen, soziale Statussicherheit usw. Dagegen richtet sich die „Künstlerkritik“[8] auf die subjektive Dimension der Individuen und artikuliert sich in Forderungen nach persönlicher Autonomie, Aufhebung von Entfremdung, schöpferischer Freiheit, Selbstverwirklichung und Abschaffung jedweden Zwangs. Beide Formen der Kritik begleiten historisch in je spezifischer Weise die Phasen des „kapitalistischen Geistes“ und tragen ebenso zu seiner Dynamik wie zu seiner Modifikation bei. Da sich das zentrale Erkenntnisinteresse von B./C. auf den „dritten“ und „neuen Geist“ richtet und damit auf die Frage, welche Funktion den beiden Formen der Kritik hinsichtlich dieses Geistes zukommt, stellen sie gleichzeitig die Frage, welche Schwierigkeiten eine Veränderung des heutigen Kapitalismus aufwirft und wo sich für eine solche Veränderung geeignete Ansatzpunkte der Kritik finden lassen.

Eine Text- und Inhaltsanalyse von Managementliteratur (allgemeine Darstellungen, Handbücher, Ratgeber, Anleitungen usw.) bildet die empirische Grundlage für eine ausführliche Beschreibung und Interpretation des „neuen Geistes“ (91-188). Der Textkorpus umfasst im wesentlichen zwei Teile. Der erste Teil stammt aus der Zeit zwischen 1960 und 1990 und repräsentiert die Essentials des „zweiten Geistes“ wie die Beherrschung organisatorischer Komplexität, zielgesteuerte Unternehmensführung (management by objectives), Meritokratie bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung einer strikt hierarchischen Ordnung sowie Technikoptimismus. Demgegenüber offenbart die Textanalyse der Managementliteratur seit Beginn der neunziger Jahre den „neuen Geist“, der eine Zäsur, ja einen Bruch im Verhältnis zu der zurückliegenden Periode darstelle. Obwohl sich B./C. bewusst sind, dass der Managementdiskurs nicht mit der Realität identisch ist, verleihen sie ihm einen heuristischen Wert und nehmen die in der untersuchten Literatur entdeckten Topoi ernst. Aus der empirischen Analyse, in der die Häufigkeit der Topoi, die den traditionellen Rechtfertigungsregimen zuzuordnen sind, mit denjenigen, die der für den „neuen Geist“ typischen „projektbasierten Polis“ (cité par projets) entsprechen, verglichen werden, leiten sie die weiteren Bestimmungen des „neuen Geistes des Kapitalismus“ ab. Dieses methodische Vorgehen provoziert allerdings Bedenken; denn ist es nicht ein eklatanter Widerspruch, zwar einerseits den konstruktivistischen, symbolisch aufgeladenen und legitimatorischen Charakter der Managementliteratur durchaus wahrzunehmen, ihn aber andererseits dennoch zur Realität des Kapitalismus zu erklären? Außerdem ist die untersuchte Literatur, es handelt sich überwiegend, wie schon gesagt, um ratgebende, motivierende praxisanleitende Publikationen, selektiver Natur, weil sie sich auf die unmittelbaren sozialtechnologischen Anforderungen managerialen Handelns im Umgang mit den Beschäftigten bezieht und die zentrale Dimension der Profitlogik und der ökonomisch begründeten Herrschaft über die im Verwertungsprozess konsumierte Arbeitskraft nahezu vollständig ausklammert. Der faktische „neue Geist“ setzt sich jedoch nicht nur aus solchen Elementen zusammen, die einer Subjektivierung der Arbeit dienen und die konventionellen Formen einer extern kontrollierten Mobilisierung des Arbeitsvermögens zugunsten von Selbstaktivierung und -steuerung der Beschäftigten aufgeben, sondern konstituiert sich zuallererst durch das fundamentale Interesse, die Rentabilität des eingesetzten Kapitals zu maximieren und dabei alle verfügbaren Mittel – aktuell von gesetzlichen Maßnahmen bis zur Erpressung durch Androhung von Standortverlagerungen – anzuwenden, gleichgültig, ob sie gegen die normativen Prätentionen der Managementliteratur verstoßen oder nicht. Wenn man also den wirklichen „Geist des Kapitalismus“ beschreiben will, dann genügt es nicht, nur eine spezifische, wenn auch zweifellos wichtige Facette auszuwählen und diese für die Totalität des „kapitalistischen Geistes“ auszugeben. Eine solche Idealisierung ist umso erstaunlicher, als B./C. später, wie noch gezeigt werden soll, durchaus auf die tatsächliche Entwicklung der Arbeitsbedingungen, Arbeitsverhältnisse, Entlohnung und Arbeitsmarktsegmentierung eingehen, die allerdings in krassem Gegensatz zur Ableitung des „neuen Geistes“ aus der Rhetorik der Managementliteratur steht. Zunächst rückt jedoch der Gedanke der „projektbasierten Polis“, also die Handlungs- und Rechtfertigungslogik des „neuen Geistes des Kapitalismus“ in den Vordergrund, die sowohl den objektiven Wandel gesellschaftlicher Arbeit und ihrer Organisationsformen widerspiegeln soll als auch die intrinsischen, emotionalen und mentalen Potentiale einzubeziehen versucht, ohne die die betroffenen Akteure in einer fluiden, hochmobilen und vernetzten Welt moderner Produktion und Dienstleistungen angeblich nicht bestehen können. Als normative Komponenten treten dabei die Ablehnung hierarchischer Unterordnung und die Aufwertung von Eigeninitiative, Risikobereitschaft und Selbststeuerung hervor. Sie sollen die unablässige Identifikation mit der projekt- und netzwerkförmigen Arbeit einer „konnexionistischen Welt“ (184) gewährleisten. Es liegt in der Natur der Sache, dass Boltanskis und Chiapellos „neuer Geist“ nicht mit traditionellen Vorstellungen von sozialer Sicherheit und Stabilität vereinbar ist, da sein Ideal in der ungehinderten Mobilität und Flexibilität des „schwerelosen Menschen“ (207)[9] liegt, der allerdings neue Sicherheitsbedürfnisse anmeldet, denen das Rechtfertigungsregime der „projektbasierten Polis“ Rechnung zu tragen habe.

„Netzlogik“

Mit dem Begriff des „Netzwerks“, der „Netzlogik“ und der „konnexionistischen Welt“ versuchen B./C. die typischen Merkmale der Vergesellschaftung von Arbeit im heutigen Kapitalismus auf den Punkt zu bringen. Die „konnexionistische Welt“ bildet das Korrelat zum projektbezogenen Rechtfertigungsregime, also der „projektbasierten Polis“. Weil die Welt nach B./C. immer mehr durch eine „Netzlogik“ strukturiert wird, müssen Forderungen nach moralischer Legitimität und Gerechtigkeitsstandards von den Prämissen dieser Netzlogik ausgehen. Aber auch wenn man den beiden Autoren darin beipflichten will, dass Netzwerkförmigkeit im gesellschaftlichen Arbeitsprozess an Bedeutung gewinnt, ist an ihrer Konstruktion folgendes auszusetzen: Wie der Mainstream des aktuellen sozialwissenschaftlichen Netzwerkdiskurses wird auch die Argumentation von B./C. durch einen Bias der Ausblendung des Herrschaftsproblems in ihrer Erklärungskraft beeinträchtigt; denn sie abstrahiert von der Machtasymmetrie (hinsichtlich der materiellen Ressourcen, des sozialen Kapitals, der Herrschaftsfunktionen usw.), die der netzwerkförmigen Kooperation zugrunde liegt und durch sie zwar modifiziert, nicht aber qualitativ verändert wird. Die konkreten Momente „demokratischer“ Interaktion und die Interessengemeinschaft von Netzwerkarbeit, in denen unmittelbare Profitinteressen momentan zurücktreten, um sich zu einem späteren Zeitpunkt des Verwertungsprozesses umso rigoroser durchzusetzen, sind also nicht auf Dauer gestellt. Netzwerke, zumal wenn sie Projektform annehmen, bestehen auf Widerruf und können das Prinzip marktdeterminierter Konkurrenz nicht außer Kraft setzen. Ein fokales Unternehmen X wird seine kooperativen netzförmigen Beziehungen zu den Zulieferern Y1 und Y2 so bald wie möglich beenden, wenn leistungsfähigere Konkurrenten Z 1, 2 ... für die Zuliefererkette zur Verfügung stehen.

Die von B./C. bemühte „Netzmetapher“ ist aber auch deshalb zu hinterfragen, weil ihre empirische Relevanz sowohl schwer zu überprüfen ist als auch durch die Existenz nicht-netzwerkförmiger ökonomischer Beziehungen (zum Beispiel durch die Abhängigkeit einzelner Netzakteure von der monopolistischen Marktmacht eines Finalproduzenten, die Überlagerung von netzförmiger Kooperation durch hierarchische Unterordnungsverhältnisse oder durch Machtkämpfe der beteiligten Großunternehmen) erheblich relativiert, ja konterkariert werden kann. Die möglichen negativen Implikationen des Netzes verkörpert bei B./C. die Figur des „Netzopportunisten“ (419). Aber die kritische Beschreibung des „Netzopportunisten“, der sich die Vorteile des Netzes zum Nachteil der anderen am Netz beteiligten Akteure aneignet und die eigenen Vorteile zu Lasten eines kooperativen Positivsummenspiels des gesamten Netzes maximieren will, reicht nicht aus, um die strukturellen, handlungstheoretisch nicht aus der Welt zu schaffenden Widersprüche und Ambivalenzen ökonomischer Netzwerke unter kapitalistischen Produktions- und Marktbedingungen angemessen zu erfassen. Hartmut Hirsch-Kreinsen kommt in einem Überblick auf die durch Konkurrenz und Produktivitätsvorteile geprägte Entwicklung von Unternehmensnetzwerken zu folgendem Befund: „Indes lassen die verschärften Konkurrenz- und Innovationsbedingungen zunehmend weniger Platz für solchermaßen verstandenen kooperative und vertrauensbasierte Netzwerkbeziehungen. Denn Kostenminimierung, hoher Zeitdruck und steigende Flexibilitätsanforderungen drängen zu opportunistischem Verhalten einzelner Netzwerkpartner: schnelle Reaktionen und häufiger Strategiewechsel, um kurzfristig sich ergebende Absatzchancen auszunutzen oder um im Netzwerk gewonnenes Know-how im eigenen Interesse möglichst schnell zu nutzen .... Damit tritt in vielen Fällen offen zu Tage, was die eigentlichen Antriebskräfte für die Bildung von Unternehmenskooperationen sind: nämlich ökonomisches Kalkül und der Druck mächtiger Partner, über die sich ausschließlich wirtschaftliche Abhängigkeiten konstituieren und Unternehmensnetzwerke zum Ausbau kleiner Unternehmen und ihrer spezifischen Leistungsfähigkeit genutzt werden“ (Hirsch-Kreinsen 2002: 112 u. 113).

Entstehung und Zukunft des „neuen Geistes des Kapitalismus“. 1968: „Sozialkritik“ und „Künstlerkritik“

Mit Hilfe der oben wiedergegebenen zentralen Begriffe (also „Geist des Kapitalismus“, Rechtfertigungsregime bzw. „Polis“, „Sozialkritik“ und „Künstlerkritik“, „Netzwelt“ bzw. „konnexionistische Welt“ usw.) versuchen B./C. nun, die für sie entscheidene Frage zu diskutieren und zu beantworten, warum und wie der „neue Geist des Kapitalismus“ überhaupt entstehen konnte und welche gesellschaftlichen Szenarien er zukünftig erwarten lässt. Im Verlauf ihrer weit ausholenden Ausführungen entwickeln sie folgende Argumentation:

Der gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Krise von 1968 und der folgenden Jahre kam eine Schlüsselbedeutung für die Entwicklung des modernen französischen Kapitalismus zu. Diese Krise spiegelte eine insgesamt enorm gestiegene Kritikbereitschaft und Kritikfähigkeit der westlichen Gesellschaft (215) insgesamt wider. Aus dem Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlicher Prosperität, ökonomischem Fortschrittsdogma und Technik-euphorie einerseits und dem wachsenden Bedürfnis nach glaubwürdigen und überzeugenden Rechtfertigungen der bestehenden sozialen Institutionen und Beziehungen andererseits ergab sich eine Situation, in der die Elemente der „Künstlerkritik“ – man denke nur an Slogans wie „die Phantasie an die Macht!“ oder „Erfindet das Leben neu!“ (Gilcher-Holtey 2001: 88) – und der Elan der Sozialkritik („Kampf gegen die Macht der Monopole!“; in Boltanski/Chiapello 2003: 216) teilweise und zeitweise konvergierten und als Forderungen manchmal von ein- und denselben Akteuren, zum Beispiel den jungen Führungskräften, („cadres“) erhoben wurden. 1968 bildete gleichzeitig den Auftakt für eine Welle massiver, nicht selten von Gewalt überschatteter Streiks und Betriebsbesetzungen, für das Umsichgreifen industrieller Sabotageakte und eine Desorganisation der Produktion, mit der die Arbeiter den verschärften Rationalisierungskurs des Managements beantworteten. Darauf wiederum reagierten die Unternehmer und ihre Verbände, namentlich der CNPF (Conseil National du Patronat Français) mit materiellen Zugeständnissen, branchenübergreifenden Rahmentarifverträgen, der Anhebung des gesetzlich garantierten Mindestlohnes SMIC (Salaire minimum interprofessionel de croissance), während sie alle Vorstöße der „Künstlerkritik“, etwa die Ersetzung der betrieblichen Leitungshierarchien durch Selbstbestimmung und Selbstverwaltung („autogestion“)[10] zurückwiesen oder blockierten. Die Kapitaleigner und Manager bedienten sich also in den Jahren unmittelbar nach 1968, wie B./C. es sehen, bestimmter Elemente der „Sozialkritik“ und assimilierten sie ihrer Strategie sozialer Befriedung. Dagegen verlor die „Künstlerkritik“ an Attraktivität und Durchschlagskraft und geriet in die Defensive, wofür B./C. unter anderem das Abebben der Studentenproteste mit ihren spontaneistischen und utopistischen Ambitionen als Beleg heranziehen. Allerdings brachte die Anpassung des „kapitalistischen Geistes“ an die „Sozialkritik“ der Beschäftigten, der Gewerkschaften und der linken Parteien, vor allem der Kommunistischen Partei, nicht die erhoffte sozialpazifizierende Wirkung auf die industriellen Beziehungen. Die von den Arbeitgebern betriebene „umfassende Vertragspolitik“ (238) und das Modell der „neuen Gesellschaft“, das der damalige Premierminister Chaban-Delmas verkündete, verursachten hohe Transaktionskosten, ohne jedoch den Prozess der Desorganisation der Produktion umkehren zu können. Seit Mitte der siebziger Jahre kam es deshalb zu „Verschiebungen“ des „kapitalistischen Geistes“ von einer permissiven Haltung gegenüber der „Sozialkritik“ zu einer Öffnung für die „Künstlerkritik“. Der „kapitalistische Geist“ bemächtigte sich der ursprünglich gegen ihn gerichteten Forderungen nach Autonomie, Kreativität und Erneuerungsbereitschaft und transformierte sie in ein Movens der Profitmaximierung, was umso besser gelang, je mehr diejenigen kollektiven Akteure, die bisher quasi ein Monopol auf „Sozialkritik“ hatten, nämlich die CGT und der PCF seit Ende der siebziger Jahre, also nach dem Bruch der „Linksunion“ (von Kommunisten, Sozialisten und Linksliberalen), einen geradezu dramatischen Bedeutungsverlust erlitten.

Boltanskis und Chiapellos Unterscheidung von „Sozialkritik“ und „Künstlerkritik“ ist einerseits sehr griffig und empirisch gewinnbringend, wirft aber andererseits einige grundsätzliche Fragen auf. Ihre Argumentation legt nämlich die Vermutung nahe, „Sozialkritik“ und „Künstlerkritik“ seien von vornherein und stets tatsächlich auch Kritik am Kapitalismus. Gerade das lässt sich aber weder für den einen noch den anderen Kritiktyp pauschal behaupten. Im Großen und Ganzen richteten sich beide Kritiktypen vielmehr auf konkrete Defizite und Probleme, ohne damit schon eine bewusste und explizite Kritik am Kapitalismus zu verbinden. Davon machten nach 1968 vor allem die Aktivitäten der Kommunistischen Partei und der CGT für eine gewisse Zeit insofern eine Ausnahme, als beide Organisationen versuchten, konkrete politische und gewerkschaftliche Teilziele mit der Perspektive einer Überwindung des Kapitalismus zu verknüpfen, wie etwa das damalige Projekt einer „démocratie avancée“[11] („fortgeschrittene Demokratie“) zeigte. Der „Künstlerkritik“ war dagegen von vornherein eine starke Tendenz zum Individualismus und Narzissmus eingeschrieben, die mit einer diesen Namen auch verdienenden Kapitalismuskritik entweder nur semantisch sympathisierte oder auf jede kapitalismuskritische Anspielung überhaupt verzichtete.[12] Insofern leuchtet es nicht ein, der „Künstlerkritik“ allgemein den theoretischen Status einer Kapitalismuskritik zu geben.

Da B./C. hier nicht genügend differenzieren, wird in ihren Augen alles zur Kritik am Kapitalismus, was irgendwie Unzufriedenheit zum Ausdruck bringt und Abhilfe von diesem oder jenem Missstand verlangt. Indem sie Kritik im allgemeinen mit Kapitalismuskritik gleichsetzen, berauben sie sich der Möglichkeit, zwischen einer Kritik, die die Logik des Kapitalismus nicht überschreitet, und einer Kritik zu unterscheiden, auf die der Kapitalismus zwar reagieren, die er aber inhaltlich nicht integrieren kann, auch wenn ihr praktische Erfolge versagt bleiben mögen. Zu fragen wäre außerdem, ob das, was B./C. unter dem „neuen Geist“ verstehen, tatsächlich auf eine Kontinuität der „Künstlerkritik“ zurückzuführen ist oder nicht vielmehr den aktuellen Bedingungen kapitalistischer Akkumulation und Modernisierung (wie dem Formwandel der Arbeitskraft zum „Arbeitskraftunternehmer“, der Flexibilisierung der Arbeitszeiten und der Reorganisation der Betriebsabläufe usw. ) geschuldet ist. Bis auf den Hinweis, dass nicht wenige Führungskräfte und Mitglieder der gesellschaftlichen Eliten, die sich als Promotoren des „neuen Geistes“ hervorgetan haben, aus dem politischen und kulturellen Milieu von 1968 kommen, fehlt es an soliden empirischen Belegen für die These, dass sich die „Künstlerkritik“ von 1968 unmittelbar im „neuen Geist“ der Managementdiskurse der neunziger Jahre fortgesetzt habe (250 ff.).

Zwar ist die Beobachtung von B./C. zutreffend, dass der Druck ultralinker und spontaneistischer Gruppen auf PCF und CGT den Einfluss der „Sozialkritik“ verringerte und damit objektiv die „Künstlerkritik“ des Managements sowie die Entstehung einer „projektbasierten Polis“ begünstigte (332 ff.), aber die „Künstlerkritik“ der intellektuellen 68er-Bewegung als die eigentliche Quelle des „neuen Geistes“ des Kapitalismus zu bezeichnen, kommt einem idealistischen Trugschluss gleich. Es ist vielmehr die widersprüchliche Organisation des Arbeitskrafteinsatzes unter den heutigen marktspezifischen, technischen und kulturellen Bedingungen kapitalistischer Verwertung, in der die eigentlichen Ursachen für den „neuen Geist“, also für die arbeitsmoralische und subjektive Einbindung der Beschäftigten zu finden sind. Diesen Sachverhalt hat Harald Wolf in seinem Kommentar zu der Studie von B./C. jüngst prägnant mit der folgenden Feststellung auf den Punkt gebracht: „Die Forderung nach Autonomie muss deshalb an den Kapitalismus nicht von außen – etwa durch eine 'Künstlerkritik' – herangetragen werden. Sie taucht in seinem Innern auf, induziert durch widersprüchliche Zielsetzungen und immanente Organisationsprobleme. Das Schwanken zwischen Beherrschung und Autonomie kennzeichnet das kapitalistische Unternehmen. Es ist deshalb kein Wunder und auch historisch immer wieder der Fall gewesen, dass Prinzipien der Beteiligung oder der Autonomie propagiert werden“ (Wolf 2004: 5).

Veränderte Bedingungen im gegenwärtigen Kapitalismus

Obwohl B./C. den „neuen Geist“ zum zentralen Gegenstand ihrer Überlegungen machen, entgeht ihnen nicht, dass die tatsächliche Entwicklung der Beschäftigungsverhältnisse, der industriellen Beziehungen und der Handlungsfähigkeit der Arbeiterbewegung in einem diametralen Gegensatz zum präskriptiven und normativen Charakter des „Selbstverwirklichungsprojekts“ (261) des aktuellen Managementdiskurses und seiner Netzwerkphilosophie stehen. Die ausführliche, empirisch unterbaute und analytisch differenzierte Darstellung dieser Entwicklung gehört zu den besten Teilen der Untersuchung. Die beiden Autoren analysieren den Prozess der „Dekonstruktion“ und der „schwindenden Kräfte der Arbeitswelt“ seit Ende der siebziger Jahre, indem sie die gesellschaftlich übergreifenden Tendenzen der Individualisierung und sozialen Mobilität mit den Veränderungen betrieblicher Arbeit durch Modernisierung und Flexibilisierung in Beziehung setzen. Zu Recht sehen sie in den sich gegenseitig verstärkenden Wechselwirkungen zwischen den eben genannten Momenten die eigentlichen strukturellen Ursachen für die Krise der Arbeiterbewegung und die Erosion kollektiver Klassenidentität. In diesem spezifischen Zusammenhang entfalten die Begriffe „Sozialkritik“ und „Künstlerkritik“ eine gewisse diskursanalytische Fruchtbarkeit. Ihre Anwendung zeigt, dass das Eindringen von Elementen der „Künstlerkritik“ in die Gewerkschaftsbewegung – B./C. verdeutlichen das am Beispiel des auf „Selbstverwaltung“ (autogestion) und Partizipation zielenden Konzepts der CFDT im Anschluss an 1968 – und die gleichzeitige Schwächung der „Sozialkritik“, die vor allem von der CGT repräsentiert wurde, einen Prozess allgemeiner politischer Erschöpfung der Arbeiterbewegung auslösten.[13] Rapider Mitgliederschwund, dramatisch sinkende Kampfkraft und strategische Lethargie der Gewerkschaften spiegeln die konkreten Folgen der asymmetrischen und ungleichzeitigen Bewegungen der beiden Kritikformen konkret wider. Die Entwaffnung der „Sozialkritik“ erwies sich nicht nur als Reflex auf eine ungünstige Konstellation der ökonomischen Makroebene, sondern war auch das Ergebnis einer diskursiven Marginalisierung und zwar insofern, als CGT und PCF, die bisher wichtigsten kollektiven Akteure der „Sozialkritik“, nun selbst zum bevorzugten Objekt der „Künstlerkritik“ wurden. Bürokratismus, Korporatismus und Konservatismus, also Eigenschaften, die die vom „neuen Geist“ des Kapitalismus adaptierte „Künstlerkritik“ üblicherweise an der Welt der Unternehmen bemängelt hatte, wurden nun massiv als Defizite der Arbeiterbewegung angeprangert. Es gelang so, die Akteure der „Sozialkritik“ wirkungsvoll als Inbegriff der Modernitätsfeindlichkeit und Stagnation ins öffentliche Bewusstsein einzuschreiben. Etwas ähnliches ist der herrschenden Klasse und ihren Diskurseliten in den Medien und wissenschaftlichen Institutionen ja in Deutschland ebenfalls gelungen.

Mit der Krise der Arbeiterbewegung ging nach B./C. eine Krise des Klassenbegriffs einher, die sich nicht auf die wissenschaftliche Ebene beschränkte, sondern durch ihre praktisch-politische Vermittlung teilweise gravierende Verschlechterungen der Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten hervorrief.

Das äußerte sich vor allem in einer Auflösung derjenigen sozioprofessionellen Klassifikationssysteme (338 ff.), die bis dahin die Äquivalenzvorstellungen und -forderungen der Beschäftigten im alltäglichen Kampf um Lohngruppen, Tarifverträge, betrieblichen Status, Weiterqualifizierung und Beförderung begründet hatten. Mit der Dethematisierung des Klassenbegriffs, an der sich die Soziologie aktiv beteiligte,[14] und der Dekategorisierung der Klassifikationssysteme der Arbeitswelt verschoben sich die Maßstäbe der „Bewährungsproben“ (361), also der konkreten Konflikt- und Aushandlungssituationen, die jahrzehntelang durch die „Kontroll- und Gerechtigkeitsstandards“ der „Sozialkritik“ markiert worden waren.

So eindrucksvoll B./C. die „Dekonstruktion der Arbeitswelt“ und die Entmachtung der Arbeiterbewegung bis zu Beginn der neunziger Jahre beschreiben, so wenig lässt sich ihre theoretische Prämisse nachvollziehen, dass diese Prozesse primär als Resultate einer zunehmenden oder abnehmenden Dynamik von „Sozialkritik“ oder „Künstlerkritik“ zu interpretieren seien. Die Berufung auf ein ökonomisches Verständnis kapitalistischer Akkumulation, wie die Autoren es einleitend betonen, hängt deshalb in der Luft.

Auch das erneute Aufkommen der „Sozialkritik“ seit den neunziger Jahren (380 ff.) wird von B./C. eher darauf, dass die „Künstlerkritik“ ihre herausfordernde, mobilisierende Funktion für den „neuen Geist“ des Kapitalismus eingebüßt hat, als auf objektive soziale Spaltungs-, Ausgrenzungs- und Verarmungsprozesse zurückgeführt, auch wenn letztere als Kontextbedingung erwähnt werden. In der Wiederbelebung der Sozialkritik sehen B./C. den entscheidenden Ansatzpunkt für eine Eindämmung kapitalistischer Ausbeutung. Um dabei erfolgreich zu sein, müsse sich die erneuerte Sozialkritik allerdings von herkömmlichen Mustern gesellschaftlicher Ungleichheit lösen. Es komme darauf an, die Formen der „Netzwelt“ in die Sozialkritik aufzunehmen und die Möglichkeiten zu nutzen, die durch eine „Formengleichheit der neuen Protestbewegungen und der Strukturen des Kapitalismus“ (389), also ihre beiderseitige Netzförmigkeit, gegeben seien. Eine wesentliche Aufgabe bestehe darin, die von den neuen Protestbewegungen thematisierte Ausgrenzungsproblematik in eine der Netzförmigkeit des modernen Arbeitsprozesses angemessene „Theorie der Ausbeutung“ (389) zu überführen. Im Blick auf die „Netzwelt“ unterstellen B./C., dass Ausgrenzung dann zu einer spezifischen neuen Ausbeutungsform werden kann, wenn Akteure der Netzwerke und Projekte ihrer Fähigkeit zur Kooperation beraubt, am Anknüpfen von Kontakten gehindert, in ihrer Mobilität entweder eingeschränkt oder überfordert und von Informationen im Netz abgeschnitten würden. Als neuen Ausbeutertyp identifizieren sie den schon erwähnten „Netzopportunisten“ (419), der den eigenen Vorteil auf Kosten der anderen Teilnehmer des Netzwerks zu maximieren versucht. Da die „konnexionistische Welt“ tendenziell alle Bereiche der Gesellschaft durchdringe und Menschen überall zu Opfern einer netzbezogenen Ausbeutung werden können, schlagen B./C. vor, eine „Ausbeutungsgrammatik“ (415) zu erarbeiten, die der Forderung nach Verwirklichung der „projektbasierten Polis“, von der weiter oben die Rede war, als Grundlage dienen soll.

Wie aber lassen sich die normativen Strukturen einer „projektbasierten Polis“ in der Wirklichkeit verankern? B./C. unterbreiten eine Reihe von Vorschlägen zur Reduzierung von Ausbeutung in der Netzwelt. Bei diesen Vorschlägen, die aus einer „erneuerten allgemeinen Ausbeutungsgrammatik“ (424) abgeleitet werden, handelt es sich a) um Maßnahmen, die alle Beiträge zum Netzwerk so erfassen wie ein Filmabspann alle am Zustandekommen des Films Beteiligten (also auch die Cutter, Maskenbildner usw.), b) um Verfahren gerechter Entlohnung und c) um Kriterien des Ausgleichs von Ressourcen und Mobilität zwischen den unterschiedlichen Netz- und Projektbeteiligten. Gegen einige dieser Vorschläge ist an und für sich nichts einzuwenden, aber der Anspruch von B./C., damit etwas qualitativ Neues in die Debatte zu bringen, wird nicht eingelöst. Bei den Maßnahmen unter a) geht es primär um den rechtlichen Status von Netzen. Das ist aber kein neues Problem. Schon seit Ende der achtziger Jahre bemühen sich die Gewerkschaften, ihre betrieblichen Delegierten und die Betriebsräte in Frankreich (wie in Deutschland) darum, beispielsweise das Unterlaufen rechtlicher Regelungen durch outsourcing und Dezentralisierung von Unternehmenseinheiten zu verhindern. Mit den Vorschlägen unter b) werden Forderungen gestellt, die ebenso berechtigt wie alt sind. Das gilt beispielsweise für die Forderung, vorhandene Kompetenzen und Qualifikationen der Beschäftigten (heute oft als „employability“ bezeichnet) und nicht nur die genau definierte einzelne Arbeitsleistung (in Deutschland nannte man das seinerzeit „analytische Arbeitsbewertung“) zum Maßstab der Entlohnung zu machen (428/429). Unter c) verstehen B./C. Maßnahmen, die eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess bzw. das Netzwerk fördern sollen, also zum Beispiel das sogenannte RMI (Revenu minimum d'insertion), eine Art Sozialhilfe mit der Verpflichtung, sich um einen Arbeitsplatz zu bemühen, oder subventionierte Arbeitsplätze zur beruflichen Wiedereingliederung.

Sie sehen darin einen Schritt zur Herstellung einer Verbindung zur „Netzwelt“ oder zur Vermeidung der Risiken, aus dieser Welt herauszufallen. Damit nähern sich B./C. allerdings einem Punkt, an dem die Grenzen zwischen minimalen, gleichwohl vertretbaren Forderungen zur Verbesserung von Arbeits- und Lebensbedingungen einerseits und einer Verschleierung und Beschönigung der Demontage sozialer Sicherungen andererseits fließend werden. In seiner eindrucksvollen Studie über die Geschichte der Lohnarbeit, in der die immer weiter voranschreitende Zerstörung des sozialen Status der Lohnabhängigen als Angriff auf zivilisatorische Standards der Gesellschaft schlechthin interpretiert und kritisiert wird, hat Robert Castel auch die Fragwürdigkeit und Ambivalenz des RMI herausgestellt. Er sieht im RMI, das öffentlich als großer Schritt zur (Re-)Integration von Arbeitslosen in die Erwerbsarbeit angekündigt wurde, die Verstetigung eines für die Betroffenen „dauerhaft-transitorischen Zustands“, der die Arbeitslosen in eine „permanente Zwischenposition“ hineindrängt und so die Eingliederung zu einem „lebenslänglichen Prozess“ zu pervertieren droht (vgl. Robert Castel 2000: 376 ff.).

Gemessen an den hochgeschraubten normativen Erwartungen der Autoren an die „projektbasierte Polis“, deren Darstellung einen zentralen Bestandteil der gesamten Untersuchung ausmacht, fallen ihre konkreten Vorschläge entweder äußerst bescheiden aus oder laufen sogar Gefahr, für eine Legitimierung des Abbaus sozialer Sicherungssysteme und Leistungen herzuhalten. Spätestens hier wird die Diskrepanz zwischen dem ambitionierten Konzept einer „projektbasierten Polis“ und den ziemlich mageren oder wie beispielsweise im Fall des RMI sogar ausgesprochen problematischen Vorschlägen von B./C. unübersehbar. Wie lässt sich diese Diskrepanz erklären?

Ihre wesentliche Ursache liegt im Konzept der „projektbasierten Polis“ selbst. Es unterstellt diskursiv ermittelbare und auszuhandelnde Gerechtigkeitsstandards, die die „Dominanz der Netzwelt“ berücksichtigen und zwischen den unterschiedlichen Bedingungen und Situationen der Netzakteure Wertigkeitsäquivalenzen herstellen, so dass das „Ausbeutungsniveau“ (566) gesenkt würde. Gegen diese Erwartung von B./C. ist aber einzuwenden, dass ein Interesse des Kapitalismus an Gerechtigkeitsstandards nicht vorausgesetzt werden kann. Die Achillesferse im Denken von B./C. besteht in der nicht haltbaren Prämisse, dass zwischen Kapital und Arbeit, zwischen Management und Beschäftigten sowie Arbeitgebern und Gewerkschaften aus gemeinsam geteilten normativen Gründen und einer beiderseitig vertretenen Gemeinwohlorientierung Übereinkünfte getroffen werden können, die bestimmte Gerechtigkeitsstandards festlegen. Davon auszugehen ist jedoch weltfremd. Wenn es zwischen Kapital und Arbeit zu vertraglichen Regelungen kommt, dann geschieht das nicht aus gemeinsam geteilten moralischen Motiven, sondern aus einer gegensätzlichen Interessenlogik heraus, die nur im Falle der Interessen der abhängig Arbeitenden (sowie der Arbeitslosen und sozial Marginalisierten) mit Gerechtigkeitsvorstellungen prinzipiell vereinbar ist. Und wenn die Kapitalseite Zugeständnisse an das Gerechtigkeitsempfinden der Gegenseite macht, was ja tatsächlich vorkommt, dann sind dafür Vorteilsabwägungen und Nutzenkalküle, nicht aber eine allgemeine klassenübergreifende Gerechtigkeitsethik ausschlaggebend. Man darf sich nicht täuschen: Die zivilisatorische Hülle auch des modernen Kapitalismus ist hauchdünn[15] und muss permanent gegen dessen zerstörerische Logik verteidigt werden.

Mit anderen diskurstheoretischen, auf Vertrauen und rationaler Aushandlung beruhenden Modellen sozialen Handelns (wie etwa dem einer „Theorie der kommunikativen Vernunft“ bei Jürgen Habermas, eines „reflexiven“ Reformismus bei Anthony Giddens oder einer „Sphärenteilung“ als Voraussetzung gesellschaftlicher Gerechtigkeit bei Michael Walzer) teilen B./C. eine gewisse Naivität gegenüber der kapitalistischen Herrschaftslogik und den mit ihr „vernetzten“ Gewaltverhältnissen, die sich allerdings nicht auf den kapitalistischen Verwertungsprozess beschränken.[16] Ihre fatalen Folgen lassen sich nur abwehren und eindämmen, wenn die Akteure und Institutionen der herrschenden Klasse durch das Handeln der Beherrschten dazu gezwungen, wenn also Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit durch Konfliktfähigkeit und Verhandlungsmacht unterbaut werden. Nur so und nicht wegen eines vermeintlichen Bedarfs des Kapitalismus an allgemeiner Wohlfahrt und moralischer Legitimität kann der Ausbeutungsdynamik des Kapitalismus etwas entgegengesetzt werden. Aber B./C. unterstellen dem modernen Kapitalismus, wie schon erwähnt, eine Art systemischer Vernunft, mittels derer er sich in die Lage versetze, die destruktiven Zentrifugalkräfte der Akkumulation durch ein allgemeines Gerechtigkeitsregime so zu regulieren, dass die Bestandsfähigkeit des Kapitalismus langfristig gesichert werden könne. Ja, mehr noch, die „zerstörerischen Konsequenzen eines zügelloses Kapitalismus“ (557 ) werden geradezu als funktional notwendig erachtet, um diese systemische Vernunft zu ihren bestandssichernden Leistungen zu veranlassen. B./C. erwecken so, wie Jacques Bidet richtig bemerkt, den Eindruck, als wollten sie paradoxerweise gleichzeitig eine prinzipielle Kritik und eine Therapie des Kapitalismus liefern (Bidet 2002: 233).

Trotz der Kritik an zahlreichen Punkten der Argumentation von B./C. sei aber abschließend noch einmal betont, dass es sich um einen differenzierten, anregenden und ausgetretene Pfade verlassenden Versuch handelt, das Neue am gegenwärtigen Kapitalismus zu begreifen und politisch zu nutzen. Dass dieser Versuch jedoch an zentralen Stellen als gescheitert angesehen werden muss, hängt in erster Linie mit den Illusionen der beiden Verfasser über einen angeblich unabdingbar auf moralische Legitimation angewiesenen Charakter des Kapitalismus zusammen.

Literatur

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[1] Es handelt sich um die umfangreiche Untersuchung von Luc Boltanski und Ève Chiapello: Der neue Geist des Kapitalismus, Konstanz 2003 (UVK), 735 S. Der französische Titel lautet: Le nouvel Ésprit du Capitalisme, Paris 1999 (Gallimard).

Luc Boltanski, der früher eng mit Pierre Bourdieu zusammengearbeitet hatte, sich dann aber von ihm trennte, ist Forschungsdirektor an der renommierten „École des hautes études en sciences sociales“ (EHESS) in Paris. Ève Chiapello ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der „École des hautes études commerciales“ in Paris.

[2] Mit diesem Problem haben sich u.a. Pierre Bourdieu und Jean-Claude Passeron in ihren kritischen Studien zum französischen Bildungssystem in den sechziger Jahren auseinandergesetzt (Vgl. Pierre Bourdieu/Jean-Claude Passeron: Die Illusion der Chancengleichheit, Stuttgart 1971, frz. 1970). Bekannt wurde auch die marxistische Studie von Christian Baudelot und Roger Establet: L'école capitaliste en France, Paris 1971.

[3] Das verweist auf eines der zentralen Themen der Frankfurter Schule, namentlich über die Zusammenhänge zwischen der Entstehung eines autoritären Charakters und Faschismus.

[4] Zur Entwicklung der industriellen Beziehungen und der Gewerkschaften von der Zeit der „Volksfront“ bis 1968 vgl. Georges Lefranc: Le syndicalisme en France, 9c édition, Paris 1975.

[5] Im französischen Original von „Der neue Geist des Kapitalismus“ wird ebenso wie in „De la justification“ von Luc Boltanski und Laurent Thévenot der Begriff der „cité“ verwendet. In der deutschen Ausgabe wird das mit „Polis“ übersetzt. Aus pragmatischen Gründen habe ich den Begriff der „Polis“ übernommen. Zu der Studie von Boltanski und Thévenot vgl. den informativen Beitrag von Peter Wagner: Soziologie der kritischen Urteilskraft und der Rechtfertigung: Die Politik- und Moralsoziologie um Luc Boltanski und Laurent Thévenot; in: Stephan Moebius/Lothar Peter (Hrsg.): Französische Soziologie der Gegenwart, Konstanz 2004, S. 417-448.

[6] Hier gibt es Berührungspunkte mit der in Deutschland unter der Bezeichnung „Subjektivierung der Arbeit“ geführten Diskussion, der auch die Thematik des Formwandels der kapitalistischen Arbeitskraft zum sogenannten „Arbeitskraftunternehmer“ zuzurechnen ist.

[7] Es handelt sich um folgende „Quellen“: a) der Entzauberung und fehlenden Authentizität der Dinge, Menschen und Gefühle, b) der Unterdrückung, c) der Armut und Ungleichheit und d) des Opportunismus und Egoismus.

[8] Der Begriff geht auf eine Studie von Ève Chiapello zurück, in der sie empirisch in der Form von Fallstudien Widersprüche zwischen künstlerischen Bedürfnissen und Kulturmanagement untersucht hat (Ève Chiapello: Artistes versus managers, Paris 1998).

[9] Dieser Ausdruck erscheint wie eine positive Version des „flexiblen Menschen“ von Richard Sennett (Richard Sennett: Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus, Berlin 2000).

[10] Die Forderung nach „autogestion“ (Selbstverwaltung) der Betriebe wurde während der sechziger Jahre von der Gewerkschaft CFDT entwickelt und beinhaltete im wesentlichen eine Demokratisierung der betrieblichen Entscheidungsstrukturen, ohne jedoch das kapitalistische Privateigentum in Frage zu stellen (vgl. Edmond Maire, Alfred Krumnow et Albert Detraz: La C.F.D.T. et l'autogestion, 2e édition, Paris 1975; Michel Branciard: La CFDT, Paris 1986).

[11] Zum politischen Projekt einer „democratie avancée“, wie es von der PCF vertreten wurde, vgl. den von Thomas Müller und mir für das IMSF zusammengestellten Dokumentenband: Probleme des Kampfes um eine antimonopolistische Demokratie in Frankreich, Frankfurt am Main 1973.

[12] Eine starke Affinität zur Subjektivierung der Revolution im Sinne einer kulturellen Emanzipation, die alle Fesseln der traditionellen bürgerlichen Werte und Normen sprengen sollte, findet sich vor allem bei Gruppierungen wie der „Situationistischen Internationale“ (1958-1969) oder den sogenannten „Enragés“ (d.h. den „Wütenden“ in Anlehnung an den Namen der Anhänger von Jacques Roux, einem radikalen politischen Konkurrenten von Robespierre in der Französischen Revolution, die durch antiautoritäre Regelverletzungen die Repräsentanten der Macht bloßzustellen versuchten, zu denen sie allerdings auch linke Professoren wie Alain Touraine und Henri Lefebvre rechneten (vgl. Gilcher-Holtey 1995).

[13] Ergänzend zu Boltanski/Chiapello vergleiche zur Entwicklung der französischen Arbeiterbewegung den informativen Sammelband von Mark Kesselmann /Guy Groux (Hrsg.): 1968-1982: Le mouvement ouvrier français. Crise économique et changement politique, Paris 1984.

[14] Als Promotor einer solchen Dethematisierung ist beispielsweise André Gorz mit seinem auch in Deutschland bekannt gewordenen Buch „Abschied vom Proletariat. Jenseits des Sozialismus“, Frankfurt a.M. 1980 (frz. 1980) hervorgetreten.

[15] Deshalb ist es weiterhin angesagt, sich die dem Kapitalismus strukturell immanente Tendenz zu hemmungsloser Gewalt und Barbarei zu vergegenwärtigen, die die Möglichkeit der Selbstvernichtung und damit die Vernichtung von Gesellschaft und Natur einschließt. Erinnert sei hier an ein bekanntes und unverändert aktuelles Zitat, das Marx der zeitgenössischen Literatur entnommen und im „Kapital“ wiedergegeben hat: „Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, dass es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens“ (Marx 1969: 788, Fußnote 250).

[16] Eine Verkürzung gesellschaftlicher Herrschafts- und Gewaltverhältnisse bei B./C. auf den technisch und arbeitsorganisatorisch modernsten Bereich der Kapitalverwertung, den der „new economy“, bemerkt auch Philippe Corcuff in seinem ansonsten nicht sehr ergiebigen Vergleich zwischen dem „Neuen Geist des Kapitalismus“ und „Empire“ von Hardt/Negri, indem er auf die von Pierre Bourdieu betonte Vielfalt von Herrschaftsverhältnissen verweist, die nicht notwendigerweise funktionaler Bestandteil des „kapitalistischen Systems“ seien (vgl. Corcuff 2004: 122).