Kapitalismus im 21. Jahrhundert

Das globale, finanzgetriebene Akkumulationsregime

März 2008

Die Marxsche Theorie reicht sicherlich nicht aus, um den Kapitalismus des 21. Jahrhunderts zu begreifen, aber ohne sie lässt sich von diesem nur sehr wenig begreifen. Marx selbst war sich darüber im Klaren, dass die von ihm angestrebte Analyse der kapitalistischen Produktionsweise in ihrem „idealen Durchschnitt“ nicht zu verwechseln ist mit der Analyse historisch-konkreter Gesellschaften. Wir benötigen jedoch seinen Begriff der kapitalistischen Produktionsweise, wenn wir den Kapitalismus des 21. Jahrhunderts analysieren wollen. Aus meiner Sicht stellt unter anderem die Regulationstheorie an Marx anschließend vermittelnde Begriffe bereit, die die Analyse einzelner historischer Kapitalismen ermöglichen[1]. Es kann hier nicht darum gehen, den gegenwärtigen Kapitalismus in seiner Gesamtheit darzustellen. Ich will lediglich – in notwendig thesenhaft bleibender Form – einige Veränderungen des Akkumulationsregimes skizzieren, die sich seit der Krise des Fordismus herauskristallisiert haben. Mit dem Begriff des Akkumulationsregimes erfasst die Regulationstheorie unterschiedliche historische Formen der Kapitalakkumulation[2]. In Anlehnung an eine Rekonstruktion des Regulationsansatzes von Joachim Becker, die ich hier aufgreife und modifiziere, lassen sich Akkumulationsregime entlang dreier Achsen typisieren (vgl. Becker 2002, 64-77):

- extensive oder intensive Akkumulation

- extrovertierte oder introvertierte Akkumulation

- Akkumulation unter der Dominanz des industriellen Kapitals oder Akkumulation unter der Dominanz des Finanzkapitals

Extensive und intensive Akkumulation

Extensive Akkumulation basiert auf der Produktion von Mehrwert durch die Ausdehnung der Zahl der Lohnarbeiter, durch die Ausdehnung ihrer Arbeitszeit (absolute Mehrwertproduktion) oder durch eine Senkung der Reallöhne, was mit einer unentwickelten Gewerkschaftsorganisation bzw. Repression gegenüber der Arbeiterbewegung zusammenhängen kann. Intensive Akkumulation basiert demgegenüber auf der Produktion relativen Mehrwerts durch die parallele Transformation des Arbeitsprozesses (Steigerung der Arbeitsproduktivität) und der Lebensweise der Lohnempfänger (Massenkonsum von kapitalistisch produzierten Waren) (vgl. Aglietta 1979, 71f, 130; Lipietz 1985, 120; Sablowski 2004).

Die extensive Akkumulation wird durch das verfügbare Arbeitskräftepotenzial, die physischen Grenzen der Ausdehnung der Arbeitszeit und das notwendige Existenzminimum zur Reproduktion der Arbeitskraft begrenzt. Die extensive Akkumulation beruht nicht zuletzt auf der Zerstörung koexistierender nichtkapitalistischer Produktionsformen. Weitere Bereiche der gesellschaftlichen Reproduktion werden dabei unter das Kapital subsumiert, und das Lohnverhältnis weitet sich aus. Jedoch ist diese Zerstörung kein linearer Prozess ohne Gegentendenzen. Die Reproduktion nichtkapitalistischer Produktionsformen unter der Dominanz der kapitalistischen Produktionsweise kann – zumindest vom Standpunkt einzelner Kapitale – auch funktional für die Kapitalakkumulation sein. Je umfangreicher beispielsweise die Haushalts- oder Subsistenzproduktion ist, durch die die Reproduktion der Arbeitskraft vermittelt wird, desto geringere Löhne sind erforderlich[3].

Die Kapitalakkumulation beruht auf bestimmten Reproduktionsbedingungen, z.B. einer bestimmten Proportion zwischen der Produktion von Produktionsmitteln und der Produktion von Konsumgütern. Bei extensiver Akkumulation wird die Integration dieser beiden Abteilungen der gesellschaftlichen Produktion nur mit Schwierigkeiten erreicht. Die für die kapitalistische Produktionsweise allgemein charakteristische Tendenz, dass sich die Produktion von Produktionsmitteln schneller entwickelt als die Produktion von Konsumgütern, tritt hier stärker hervor.

Die Grenzen der intensiven Akkumulation sind weniger offensichtlich als die der extensiven. Ihr Potenzial ist größer, dafür beruht sie jedoch auf anspruchsvolleren Bedingungen. Intensive Akkumulation hängt erstens vom Anstieg der Arbeitsproduktivität, d.h. von der Einführung neuer Technologien und Veränderungen der Arbeitsorganisation ab. Zweitens hängt sie von der Herausbildung einer Konsumnorm für die Lohnabhängigen ab. Die Reproduktion der Arbeitskraft muss in wachsendem Maße auf dem Konsum von Waren basieren, die kapitalistisch produziert werden. Die Reallöhne müssen mehr oder weniger im Einklang mit der Arbeitsproduktivität wachsen. Wächst die Produktivität rascher als die Reallöhne, tritt die Tendenz zur Überproduktion hervor. Steigen die Reallöhne schneller als die Produktivität, kommt es zu einer Profitklemme. Ferner muss die Saturierung der Massennachfrage nach einzelnen Waren durch die Inkorporierung neuer Waren in die gesellschaftlichen Konsumnormen kompensiert werden.

Wie absolute und relative Mehrwertproduktion, so sind auch extensive und intensive Akkumulation im realen historischen Prozess immer miteinander verbunden. Dennoch können in der historischen Analyse Regimes vorwiegend extensiver und vorwiegend intensiver Akkumulation unterschieden werden.

Extrovertierte und introvertierte Akkumulation

Die Grenzen der Kapitalakkumulation erscheinen in einem anderen Licht, je nachdem ob wir die Weltwirtschaft als ganze betrachten oder einzelne Räume innerhalb der Weltwirtschaft wie Nationalstaaten oder Regionen. Spezifische nationalstaatliche Schranken der Akkumulation etwa können durch die Internationalisierung des Kapitals überwunden werden. Für die Weltwirtschaft als ganze ist das nicht möglich. Die Internationalisierung des Kapitals verschiebt die Schranken der Akkumulation, die innerhalb eines nationalen oder regionalen Raums existieren. Das Akkumulationsregime innerhalb eines Nationalstaats oder einer Region kann also mehr oder weniger extrovertiert oder introvertiert sein. Diese Unterscheidung sollte nicht mit der fundamentaleren zwischen extensiver und intensiver Akkumulation verwechselt werden. Bis zu einem gewissen Grad ist extensive Akkumulation innerhalb nationaler oder regionaler Grenzen möglich. Die Einbindung nationaler oder regionaler Räume in die Weltwirtschaft kann unterschiedliche Formen annehmen. Die Internationalisierung des Kapitals kann an verschiedenen Punkten des Kapitalkreislaufs ansetzen: Warenhandel, internationale Kreditbeziehungen, Internationalisierung der Produktion, Migration. Die Gewichte der Internationalisierung einzelner Momente des Kapitalkreislaufs können sich historisch verschieben.

Akkumulation unter der Dominanz des industriellen
Kapitals oder des Finanzkapitals

Wie Marx gezeigt hat, nimmt das Kapital in seinem Kreislauf notwendigerweise unterschiedliche Formen an, die sich in ihrer Bewegung gegeneinander verselbständigen, die jedoch letztlich durch die Notwendigkeit der Produktion und Aneignung von Mehrwert miteinander verbunden bleiben. Nicht nur die quantitativen Proportionen zwischen diesen Kapitalformen, auch ihr qualitatives Gewicht ändert sich im Laufe der kapitalistischen Entwicklung. Das Akkumulationsregime kann durch die Dominanz des industriellen Kapitals oder durch die Dominanz des Finanzkapitals gekennzeichnet sein. Um Missverständnisse zu vermeiden, müssen diese Begriffe kurz erläutert werden[4].

Der Kreislauf des industriellen Kapitals bestimmt stets den Gesamtprozess der kapitalistischen Reproduktion, weil eben hier die Produktion von Mehrwert stattfindet. In diesem Kreislauf nimmt das Kapital nacheinander die Formen des Geldkapitals, des produktiven Kapitals und des Warenkapitals an. Geldkapital wird von den Kapitalisten vorgeschossen, um Arbeitskräfte und Produktionsmittel zu kaufen, die dann unter ihrer Direktion im Produktionsprozess eingesetzt werden. Dabei wird Geldkapital in produktives Kapital transformiert. Im Produktionsprozess werden Waren produziert, dadurch wird produktives Kapital in Warenkapital verwandelt. Die Waren müssen auf dem Markt verkauft werden, wodurch Mehrwert realisiert wird und Warenkapital in Geldkapital verwandelt wird. Wird dieses Geldkapital mitsamt dem produzierten Mehrwert reinvestiert, so kann der Prozess erneut beginnen – Kapital wird akkumuliert.

Im Kreislauf des Finanzkapitals wird Geldkapital verliehen oder in Wertpapiere investiert, um Mehrwert in der Form von Zinsen, Dividenden oder Kursgewinnen anzueignen. Das Finanzkapital umfasst also die von Marx analysierten Formen des zinstragenden Kapitals und des fiktiven Kapitals. Der Kreislauf des Finanzkapitals beschreibt eine eigenständige Zirkulationsfigur, ist aber insofern vom Kreislauf des industriellen Kapitals abhängig, als die Einkommen, die durch das Finanzkapital angeeignet werden, umverteilte Einkommen sind, die im Kreislauf des industriellen Kapitals produziert werden.

Das Verhältnis zwischen industriellem Kapital und Finanzkapital ist widersprüchlich. Einerseits trägt das Finanzkapital zur erweiterten Reproduktion des industriellen Kapitals bei. Mit der Entwicklung des Kredits und des Kreditgeldes beschränkt sich der Investitionsfonds nicht mehr nur auf den bereits realisierten Mehrwert. Die Ausdehnung der Kreditverhältnisse verschiebt die Schranken der Akkumulation des industriellen Kapitals. Andererseits kann der Kredit nicht schrankenlos ausgedehnt werden. Der Kredit ist im Grunde eine Vorabvalidierung oder Pseudovalidierung gesellschaftlicher Arbeit (vgl. Lipietz 1983). Somit kann er sich nicht ganz vom Kreislauf des industriellen Kapitals lösen. Die Entwicklung des Kreditgeldes wird von ihr eigenen Formen der strukturellen Krise begleitet: Die schleichende Inflation ist Ausdruck der prekären Beziehung zwischen dem Kreditgeld und der gesellschaftlichen Arbeit. Die Vorabvalidierung gesellschaftlicher Arbeit durch den Kredit löst den der kapitalistischen Produktion inhärenten Widerspruch zwischen privater und gesellschaftlicher Arbeit nur dadurch, dass sie ihn auf eine andere Ebene verschiebt und erweitert reproduziert. Die systemische Unsicherheit drückt sich unter anderem in Kreditrisiken und in finanzieller Instabilität aus. Die erweiterte Reproduktion des Kapitals ist also begleitet von der erweiterten Reproduktion der Widersprüche zwischen Finanzkapital und industriellem Kapital. Ferner existieren Widersprüche zwischen den verschiedenen Formen des Finanzkapitals. Beispielsweise können der operative Gewinn einer Aktiengesellschaft, ihre Eigenkapitalrendite und der Gewinn pro Aktie durch den Hebeleffekt zusätzlicher Kredite (leverage) gesteigert werden. Jedoch können Dividenden nur aus dem Nettogewinn gezahlt werden, der nach Abzug der Zinszahlungen verbleibt. Je höher die Zinszahlungen sind, desto geringer ist der Anteil des Profits, der an die Aktionäre verteilt oder im Unternehmen akkumuliert werden kann.

Marx wies im dritten Band des Kapitals darauf hin, dass Bankkapital sich aus verschiedenen Elementen zusammensetzt (Geldhandlungskapital, zinstragendes Kapital, fiktives Kapital). Ähnliches gilt für Industrieunternehmen. Der Umschlag des industriellen Kapitals impliziert, dass Industrieunternehmen Gläubiger und Schuldner sind und dass sie die Aneignung von Mehrwert nicht nur in der Form des industriellen Profits, sondern auch in der des Zinses vollziehen. Die Zusammensetzung der Kapitalformen, der Einkommen und die damit verbundene Struktur von Interessen können sich historisch für einzelne Unternehmen ebenso wie für das gesellschaftliche Gesamtkapital verändern. Dies eröffnet einen Raum für konkrete historische Analysen, die für ein besseres Verständnis des gegenwärtigen Kapitalismus notwendig sind. Obgleich das Finanzkapital vom industriellen Kapital als Form logisch abzuleiten ist und durch dieses determiniert wird, kann es im Reproduktionsprozess eine dominierende Rolle spielen. Nicht nur zwischen dem industriellen Kapital und dem Finanzkapital kann sich die Dominante des Akkumulationsregimes verschieben, auch innerhalb des Finanzkapitals können sich die Gewichte zwischen den verschiedenen Formen verschieben.

Der Fordismus und seine Krise

Mit dem Begriff des Fordismus bezeichnet die Regulationstheorie in Anlehnung an Antonio Gramsci die hegemoniale Entwicklungsweise der kapitalistischen Zentren in den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg. Das Akkumulationsregime des Fordismus lässt sich als vorwiegend intensiv, nationalstaatszentriert (d.h. vom Standpunkt des Nationalstaats introvertiert) und vom industriellen Kapital dominiert charakterisieren. Das Paradigma des fordistischen Produktionsprozesses, das sich ausgehend von den USA seit den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts verallgemeinerte, beruhte auf der tayloristischen Arbeitsorganisation und der fortschreitenden Mechanisierung des Arbeitsprozesses. Auf dieser Basis konnten Produktivitätsfortschritte erzielt werden, die die Massenproduktion von standardisierten Konsumgütern und steigende Skalenerträge (economies of scale) ermöglichten. Der vertikal integrierte und diversifizierte Großkonzern war die typische Unternehmensform des Fordismus, nationale Oligopole auf Branchenebene bestimmten die Konkurrenz. Die Transformation des Arbeitsprozesses fügte sich mit der Transformation der Lebensweise der Lohnempfänger zur Basis des Regimes vorwiegend intensiver Akkumulation zusammen. Der Klassenkampf führte zur Anerkennung der Gewerkschaften durch die Kapitalisten und zur Institutionalisierung von Tarifverhandlungen. Die Arbeiter akzeptierten die tayloristisch-fordistische Arbeitsteilung und ihre Unterordnung im Arbeitsprozess im Austausch gegen Reallohnsteigerungen und andere Gratifikationen, die durch die Steigerungen der Arbeitsproduktivität ermöglicht wurden. Dieser Klassenkompromiss war freilich immer umkämpft und sollte im Nachhinein nicht verklärt werden. Der Ausbau des Sozialstaats garantierte bis zu einem gewissen Grad die Kontinuität des Konsums derer, die nicht erwerbstätig waren. Lohnsteigerungen, die Einführung von Konsumentenkrediten und die Verbilligung der Konsumgüter durch die standardisierte Massenproduktion ermöglichten es den Lohnempfängern zunehmend, langlebige Konsumgüter zu kaufen. Die fordistische Konsumnorm war um das Automobil und die standardisierte Wohnung als Reproduktionszelle der Kleinfamilie zentriert. Der Haushalt wurde rationalisiert, die Reproduktion zunehmend warenförmig organisiert.

Ende der 1960er Jahre geriet der Fordismus in die Krise. Die durch die tayloristisch-fordistische Arbeitsorganisation bewirkten Produktivitätszuwächse sanken. Es gibt unterschiedliche Interpretationen dieses Prozesses. Die eine betont „technologische“ Grenzen des Fordismus. Demnach hätte die Mechanisierung des Arbeitsprozesses irgendwann zu einem so starken Anstieg der organischen Zusammensetzung des Kapitals geführt, dass dieser nicht mehr durch einen entsprechenden Anstieg der Mehrwertrate kompensiert wurde. Die andere Lesart betont die „sozialen“ Grenzen des Taylorismus. Die Kämpfe der Arbeiter in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren richteten sich teils explizit gegen die tayloristisch-fordistische Arbeitsorganisation, teils weisen Absentismus, Krankenstand und Sabotageakte darauf hin, dass der fordistische Arbeitsprozess an eine Grenze geriet. Demnach wäre eher eine mangelnde Steigerung der Mehrwertrate oder gar deren Sinken für eine Profitklemme verantwortlich gewesen und weniger der Anstieg der organischen Zusammensetzung des Kapitals. In jedem Fall führte die sinkende Profitrate zum Erlahmen der Kapitalakkumulation.

Hinzu kam eine Kette von Problemen, die mit der Internationalisierung des Kapitals und der daraus folgenden allmählichen Erosion des nationalstaatlichen Rahmens der Regulation zusammenhängt. Zunächst verloren die USA durch die Verallgemeinerung der fordistisch-tayloristischen Arbeitsorganisation den ihre Hegemonie materiell begründenden Produktivitätsvorsprung gegenüber den Konkurrenten in Westeuropa und Japan. Auch der Vietnamkrieg trug zur Krise der US-Hegemonie bei. Unter dem Druck der allgemein sinkenden Produktivitätszuwächse verschärfte sich die internationale Konkurrenz. Die Suche nach erweiterten economies of scale beschleunigte die Internationalisierung der Produktion und der Märkte. Die mit der verschlechterten Wettbewerbsposition einhergehenden Zahlungsbilanzdefizite der USA führten zu einer internationalen Dollarschwemme und zum Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems. Der Anstieg der Rohstoffpreise, insbesondere des Erdöls, intensivierte noch den Druck, die Handelsbilanzen auszugleichen, und damit den Wettbewerb um die Exportmärkte.

Unter dem Druck der Krise verschoben sich die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zu Ungunsten der Lohnabhängigen. Die Regierungen antworteten auf die Krise zunächst mit einer Mischung aus Austeritätsmaßnahmen und keynesianischem Krisenmanagement. Seit Ende der 1970er Jahre setzten sich schrittweise, wenn auch international ungleichzeitig, neoliberale Strategien des Gesellschaftsumbaus durch.

Veränderungen des Produktionsprozesses

Die kapitalistische Entwicklung seit Anfang der 1980er Jahre wird unterschiedlich beurteilt. Während die einen den Kapitalismus in einer krisenhaften Übergangsphase oder einer lange andauernden Stagnation sehen, sind andere der Ansicht, dass neue Technologien, der Neoliberalismus und die Globalisierung eine mehr oder weniger konsolidierte, neue hegemoniale Entwicklungsweise des Kapitalismus hervorgebracht haben. Die analytischen Gesichtspunkte sind dabei höchst unterschiedlich[5]. Ich möchte im Folgenden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – einige Aspekte skizzieren, die mir wichtig erscheinen.

Ob man die Grenzen der tayloristisch-fordistischen Produktion eher als „soziale“ oder als „technologische“ interpretiert, ist auch für die Einschätzung der möglichen Auswege aus der Krise des Fordismus relevant. Handelt es sich eher um technologische Grenzen bzw. um ein mit der Mechanisierung übermäßiges Anwachsen des konstanten Kapitals, so könnte auch der Ausweg aus der Krise ein technologischer sein. So könnten die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien zu einer deutlichen Verbilligung der Elemente des konstanten Kapitals und damit zu einer Begrenzung des Anstiegs der organischen Zusammensetzung oder gar zu einer sinkenden organischen Zusammensetzung des Kapitals führen bzw. bereits geführt haben. Blockaden im Prozess der zunehmenden Mechanisierung und Automation der Produktion könnten sich als temporär erweisen. Die Auswirkungen der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien sind jedoch heftig umstritten, wie etwa die Diskussion über das so genannte „Produktivitätsparadoxon“ (d.h. die nur mäßigen Produktivitätssteigerungen trotz hoher IT-Investitionen) zeigt (vgl. Scherrer 2001).

Interpretiert man die Grenzen des Taylorismus eher als soziale oder politische, so rücken Fragen der Arbeitsorganisation ins Zentrum. Die mit dem Taylorismus verbundene rigide Trennung von planender und ausführender Arbeit, die immer weiter gehende Parzellierung der Tätigkeiten und die Degradierung des Wissens der Produktionsarbeiter hatten sich in Hemmnisse weiterer Produktivitätssteigerungen verwandelt. Darauf reagierten bereits in den 1970er und 1980er Jahren die Experimente der „Humanisierung der Arbeit“ und „soziotechnische Ansätze“ der Arbeitsorganisation. Formen der „ausgehandelten Einbindung“ und „verantwortlichen Autonomie“ der Arbeitskräfte (vgl. Leborgne/Lipietz 1992), die heute unter dem Stichwort „Subjektivierung der Arbeit“ diskutiert werden (vgl. Moldaschl/Voß 2002, Arbeitsgruppe SubArO 2005), zielen darauf ab, gerade jene Potenziale der Arbeitskraft zu erschließen, die der Taylorismus systematisch verdrängt hatte. Die Subjektivierung der Arbeit beruht auf Formen der indirekten Steuerung, d.h. das Management leitet den Konkurrenzdruck an die Beschäftigten weiter, indem es allgemeine Zielvorgaben (z.B. Renditevorgaben) macht, während die Beschäftigten sich fragen müssen, ob und wie sie diese Ziele erreichen können. Mit anderen Worten: Es handelt sich hier um eine Herrschaftsform, die darauf setzt, dass die Lohnabhängigen unter dem Druck der Konkurrenz ihre Ausbeutung stärker selbst organisieren (vgl. dazu Wagner 2005).

Gleichwohl kann man nicht sagen, dass indirekte Steuerung und Subjektivierung der Arbeit sich bereits als neues Paradigma der Arbeitsorganisation verallgemeinert hätten. Vielmehr ist es seit den 1990er Jahren auch in einigen Bereichen, in denen zuvor Ansätze einer innovativen Arbeitsorganisation verfolgt wurden, zu einem Revival des Taylorismus gekommen (vgl. Gerst 1999, Springer 1999). Wir haben es gegenwärtig mit einem Nebeneinander von Neotaylorismus und Formen der „Subjektivierung der Arbeit“ zu tun. Die indirekte Steuerung bietet sich natürlich vor allem für Angestelltentätigkeiten an, die sich schlecht tayloristisch organisieren und rationalisieren lassen. Allerdings ist es auch durchaus möglich, Elemente des Taylorismus und der indirekten Steuerung zu kombinieren, wie sich heute etwa in der Produktionsarbeit in der Automobilindustrie zeigt.

Der Erkenntnisstand bezüglich der Frage, wie die Persistenz bzw. Rückkehr tayloristischer Organisationsformen zu erklären ist, ist unbefriedigend. Unterschiedliche Hypothesen bieten sich hier an. Erstens ist denkbar, dass die Krise der tayloristischen Arbeitsorganisation überschätzt wurde. Möglicherweise handelte es sich eben nicht um absolute, sondern relative Grenzen, die durch einen gegebenen Stand der Technologie und der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse bedingt waren. Sicherlich hat die Frage der „Effizienz“ neotayloristischer Organisationsformen auch etwas mit der Bereitschaft zur Unterordnung der Arbeitskräfte angesichts des subjektiv und objektiv verschärften Drucks durch die „industrielle Reservearmee“ im globalen Maßstab und angesichts der vermeintlichen politischen Alternativlosigkeit nach dem Ende des „Realsozialismus“ zu tun. Zweitens ist denkbar, dass die seit Mitte der 1980er Jahre feststellbare Erholung der Profitabilität des Kapitals weniger auf eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität im engeren Sinne als auf andere Faktoren wie die Ausdehnung der Maschinenlaufzeiten, die Verhinderung von Lohnzuwächsen[6] und die Steigerung der Umschlagsgeschwindigkeit des Kapitals zurückzuführen ist. Die Wiederherstellung der Profitabilität des Kapitals wurde auch durch die Aushebelung des fordistischen Normalarbeitsverhältnisses und die zunehmende Prekarisierung von Arbeit (Ausdehnung von Leiharbeit, Teilzeitarbeit, befristeter Arbeit, Arbeitsverhältnissen ohne soziale Absicherung) begünstigt. Drittens müssen auch der Mehrwerttransfer entlang der Wertschöpfungskette und die ungleiche Entwicklung zwischen Groß- und Kleinunternehmen berücksichtigt werden. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich die Großunternehmen auch auf Kosten von Kleinunternehmen saniert haben.

Die Kombination heterogener, ja widersprüchlicher Arbeitsformen wird durch neue Formen der Unternehmensorganisation bzw. der Organisation von Wertschöpfungsketten erleichtert. Das vertikal integrierte und diversifizierte Großunternehmen des Fordismus wird zunehmend abgelöst durch Produktionsnetze rechtlich selbständiger Unternehmen, die stärker auf einzelne Segmente der Wertschöpfungskette konzentriert sind. Die Konzentration auf „Kernkompetenzen“ und „Kerngeschäfte“ geht von den „fokalen“ Großunternehmen aus, die die Wertschöpfungsketten beherrschen. Es hat sich erwiesen, dass ihre Profitabilität oftmals durch outsourcing gesteigert werden kann. Investitionskosten und Risiken der Kapazitätsauslastung werden auf Zulieferer abgewälzt, unterschiedliche Ausbeutungsformen lassen sich in rechtlich selbständigen Unternehmen leichter durchsetzen als in einem einheitlichen vertikal integrierten Großunternehmen. Die Tendenz zur vertikalen Desintegration von Großunternehmen zeigt, dass die – weiterhin stattfindende – finanzielle Konzentration und Zentralisation des Kapitals nicht unbedingt mit bestimmten Organisationsformen kurzgeschlossen werden kann.

Die vertikale Desintegration ist für die Großunternehmen zum Teil auch notwendig, um Ressourcen für die internationale Expansion freizusetzen. In der verschärften Weltmarktkonkurrenz werden nationale Oligopole zunehmend aufgebrochen, und neue internationale Oligopole bilden sich heraus. Die Formen der Konkurrenz ändern sich auch in anderer Hinsicht. Zum Teil verstärkt sich die Preiskonkurrenz, die im Fordismus stark eingedämmt worden war, wieder. Mit dem zunehmenden Druck der Massenarbeitslosigkeit und der Schwächung der Gewerkschaften werden auch Löhne und Arbeitsbedingungen wieder vermehrt Gegenstand der Konkurrenz. Dabei kommt es in den kapitalistischen Zentren sogar zu Arbeitszeitverlängerungen. Dies ist unzweifelhaft ein Bruch mit der Entwicklungstendenz des Kapitalismus im 19. und 20. Jahrhundert. Die Verkürzung der Arbeitszeit war gerade eine der zentralen Voraussetzungen für die Entfaltung des vorwiegend intensiven Akkumulationsregimes.

Akkumulationsschwäche trotz oder wegen gestiegener
Profitabilität

Die Reorganisation der Produktion hat im Durchschnitt zu einer Erholung der Profitabilität des Kapitals seit der Krise der 1970er Jahre geführt. In den kapitalistischen Zentren ist jedoch eine Diskrepanz zwischen der erhöhten Profitabilität des Kapitals und der zurückbleibenden industriellen Kapitalakkumulation im Inneren, die sich in nach wie vor relativ niedrigen Wachstumsraten der Anlageinvestitionen und des Sozialprodukts ausdrückt, festzustellen. Die Akkumulationsschwäche hängt aus der Perspektive des Regulationsansatzes mit einer Erschöpfung der fordistischen Konsumnorm zusammen. Dabei handelt es sich nicht bloß um ein Problem mangelnder effektiver Konsumnachfrage, wie keynesianische und unterkonsumtionstheoretische Interpretationen der gegenwärtigen Situation nahe legen. Die fordistische Periode nimmt in der kapitalistischen Entwicklung vor allem deshalb eine Sonderstellung ein, weil sie durch eine historisch einmalige Umgestaltung der Lebensweise der Lohnabhängigen gekennzeichnet ist. Die Entwicklung des Massenkonsums löste nicht nur das Problem der effektiven Nachfrage, sie ermöglichte auch eine durchgreifende Rationalisierung der Reproduktion der Lohnabhängigen, d.h. eine Senkung des Werts der Arbeitskraft, eine Steigerung des relativen Mehrwerts trotz gleichzeitig steigender Reallöhne. Heute sind nicht nur die Reallöhne zu niedrig bzw. bleiben zu stark hinter der Produktivitätsentwicklung zurück. Die Sättigung der Massenmärkte für die für den Fordismus charakteristischen langlebigen Konsumgüter wie Autos und Haushaltsgeräte wirft zudem das Problem auf, wie eine postfordistische Konsumnorm aussehen kann. Dabei geht es nicht nur um die massenhafte Verbreitung neuer Waren, die ja durchaus zu beobachten ist (z.B. Handys, PCs etc.), sondern um eine weitere Ökonomisierung der Reproduktion der Lohnabhängigen. Es gibt durchaus noch Bereiche der Reproduktion wie etwa das Gesundheits- und Bildungswesen und die weitgehend den Frauen aufgebürdeten Bereiche Erziehungs- und Pflegearbeit, deren kapitalistische Reorganisation bislang auf erhebliche Schwierigkeiten stößt. Unklar ist auch, ob sie der Kapitalakkumulation noch einmal einen vergleichbaren Schub geben könnte, wie dies die Entwicklung der fordistischen Konsumnorm getan hat (vgl. Husson 2004, 149ff).

Die überwiegend neoliberale Regierungspolitik der letzten Jahrzehnte hat zwar die Profitabilität des Kapitals durch zusätzliche Umverteilung zu Lasten der Lohnabhängigen weiter verbessert, jedoch gerade dadurch auch zu der Akkumulationsschwäche beigetragen. Denn die zunehmende soziale Ungleichheit und die restriktive Geld- und Fiskalpolitik schnüren die effektive Nachfrage ein. Es stellt sich die Frage, ob der Neoliberalismus tatsächlich als hegemoniales Projekt angesehen werden kann. Sicher handelt es sich beim Neoliberalismus um eine machtvolle Ideologie, doch scheint sie eher zerstörerisch als schöpferisch zu sein. Sie dient dazu, die fordistischen Regulationsformen zu zerschlagen und Umverteilungsprozesse zugunsten der Bourgeoisie voranzutreiben. Hegemonie im Sinne Gramscis bedeutet jedoch nicht zuletzt, dass die herrschenden Klassen den politischen Einfluss der subalternen Klassen begrenzen, indem sie Kompromisse schließen und den ökonomisch-korporativen Interessen der Subalternen Rechnung tragen. Der Neoliberalismus scheint eher Ausdruck der ökonomisch-korporativen Interessen der Bourgeoisie zu sein (vgl. Demirovic 2005).

Globalisierung und Finanzialisierung des
Akkumulationsregimes

Die Akkumulationsschwäche im industriellen Sektor der kapitalistischen Zentren hat zwei wesentliche Konsequenzen. Erstens kommt es zu einer zunehmenden Akkumulation des Anlage suchenden Kapitals im Finanzsektor. Die Globalisierung der Finanzmärkte und die Entwicklung derivativer Finanzgeschäfte haben neue Anlagesphären eröffnet, die das Akkumulationsproblem zunächst lösen und gleichzeitig in veränderter Form erweitert reproduzieren. Wir erleben den Übergang von einem eher kredit- und bankorientierten zu einem marktorientierten Finanzsystem, in dem das Finanzkapital - und dabei vor allem das fiktive Kapital - eine wachsende Bedeutung gewinnt. Es wäre allerdings zu einseitig, diesen Prozess nur als Resultat der Krise des Fordismus zu sehen. Die Entwicklung der Finanzmärkte ist auch Ausdruck der langfristigen Expansion des Kreditsystems. Die Verbriefung von Krediten und die Entwicklung von Derivaten ermöglichen eine stärkere Vergesellschaftung von Finanzrisiken und damit eine Ausdehnung von Krediten, die auch industriellen Großunternehmen zugute kommt. Insoweit entspricht die Entwicklung der Finanzmärkte den Erfordernissen der Kapitalakkumulation. Die Renditeerwartungen der Finanzinvestoren wirken freilich widersprüchlich auf das industrielle Kapital: Einerseits sind sie der Stachel, der die Rationalisierung weiter vorantreibt; andererseits können kurzfristige Gewinnmaximierung und vermehrte Kapitalausschüttungen auch die Substanz von Unternehmen angreifen, die industrielle Akkumulation und Produktivkraftentwicklung blockieren. Das Akkumulationsregime wird jedenfalls zunehmend vom Finanzkapital dominiert (vgl. dazu Chesnais 2004, Aglietta/Rebérioux 2005, Sablowski 2005). Dies ist allerdings nicht nur in der Entwicklung der Finanzmärkte begründet, sondern auch in der Verschiebung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zu Ungunsten der Lohnabhängigen. Auf ihrem Rücken wurde seit Anfang der 1980er Jahre die Bewegung der Widersprüche zwischen industriellem Kapital und Finanzkapital ermöglicht.

Die zweite wesentliche Konsequenz der Akkumulationsschwäche im industriellen Sektor der kapitalistischen Zentren ist der Kapitalexport in die „emerging markets“. Die Produktion in den Niedriglohnländern erlaubt höhere Profitraten, gleichzeitig versprechen bevölkerungsreiche Länder wie China oder Indien große Absatzmärkte. Im globalen Maßstab verbinden sich Formen extensiver und intensiver Akkumulation auf ganz neue Weise. Die Akkumulationsregime der einzelnen Nationalstaaten sind mehr denn je extrovertiert. Im Grunde haben wir es mit einem globalen Akkumulationsregime zu tun. Dieses ist jedoch sehr asymmetrisch strukturiert und von unterschiedlichen internen Dynamiken geprägt. Große und ständig wachsende weltwirtschaftliche Ungleichgewichte haben sich herausgebildet. Einigen wenigen Ländern, die riesige Leistungsbilanzüberschüsse erzielen und Nettokapitalexporteure sind (allen voran Japan, China und Deutschland), stehen viele Länder gegenüber, die Leistungsbilanzdefizite aufweisen und Nettokapitalimporteure sind (allen voran die USA). In den letzten Jahren wurde die globale Akkumulationsbewegung vor allem von der Entwicklung Chinas zur „Fabrik der Welt“ und von dem verschuldungs- und konsumgetriebenen Wachstum in den USA geprägt. Die USA profitieren nach wie vor von der Weltgeldfunktion des Dollar, d.h. der Möglichkeit, sich in eigener Währung verschulden zu können, ohne wie andere Länder das Risiko einer mit der Abwertung der eigenen Währung verbundenen Überschuldung tragen zu müssen. Dies ermöglicht es den USA, außergewöhnlich hohe Leistungsbilanzdefizite in Kauf zu nehmen. Die Frage ist allerdings, ob dieser Entwicklungspfad auf Dauer weiter beschritten werden kann. Die schleichende Entwertung des Dollar könnte darauf hindeuten, dass die internationalen Investoren nicht mehr bereit sind, die wachsenden Leistungsbilanzdefizite der USA weiter zu finanzieren und eine unbegrenzte Verschuldung zu akzeptieren, zumal dem Dollar mit dem Euro nun auch ein ernstzunehmender Konkurrent herangewachsen ist.

Das globale, finanzdominierte Akkumulationsregime ist weitaus instabiler als das vorwiegend intensive, national-introvertierte und vom industriellen Kapital dominierte Akkumulationsregime des Fordismus. Erstens haben wir es mit einer widersprüchlichen Verbindung von extensiver und intensiver Akkumulation zu tun, die der Heterogenität und Widersprüchlichkeit der postfordistischen Lohnverhältnisse geschuldet ist. Zweitens kann sich die Kohärenz des globalen Akkumulationsregimes nur als zufälliges Resultat der verschiedenen nationalen bzw. regionalen Konjunkturen des Klassenkampfs ergeben. Trotz der Ansätze einer Internationalisierung von Staatlichkeit mangelt es auf globaler Ebene an der räumlichen Kongruenz von Akkumulation und Regulation, wie sie für den Fordismus charakteristisch war. Drittens führt die Dominanz des Finanzkapitals, namentlich des fiktiven Kapitals, zu immer gewaltigeren Spekulationsblasen, gefolgt von Krisen und entsprechenden Schüben der Kapitalvernichtung. Vergleicht man die Finanzkrisen der letzten 20-30 Jahre, so scheinen sie immer näher an das Herz des globalen Kapitalismus heranzurücken. Zunächst konzentrierten sich die Krisen auf die Semiperipherie, von der Verschuldungskrise der 80er Jahre über die Krise in Mexiko 1994/95, die Asienkrise 1997/98, bis hin zu den Krisen in Brasilien, Russland, Argentinien und der Türkei. Der Börsencrash in den USA 1987 und die Krise des Europäischen Währungssystems 1992/93 scheinen im Rückblick unbedeutend im Vergleich mit dem Platzen der „New Economy“-Spekulationsblase 2000-2002. Danach boten sich nochmals verschiedene Auswege aus der Krise an, vom Investitionsboom in China über den Rüstungsboom in den USA und die Immobilienspekulation bis zu den hochriskanten Anlagen in Hedge Fonds und Private Equity Fonds. Nachdem auch diese Anlagefelder an ihre Grenzen geraten, hat die Krise erstmals das Herz des internationalen Finanzsystems, den Interbankenmarkt erreicht.

Literatur

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Sablowski, Thomas (2004): Intensive/extensive Akkumulation. In: Wolfgang Fritz Haug (Hg.), Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, Band 6/II, 1317-1323.

Sablowski, Thomas (2005): Shareholder Value, neue Geschäftsmodelle und die Fragmentierung von Wertschöpfungsketten. In: Wagner 2005, 59-86.

Scherrer, Christoph (2001): New Economy: Wachstumsschub durch Produktivitätsrevolution? In: Prokla 122, 31. Jg., Nr. 1, 7-30.

Smith, Joan/Wallerstein, Immanuel (Hg.) (1992): Creating and transforming households. The constraints of the world-economy. Cambridge.

Springer, Roland (1999): Rückkehr des Taylorismus? Arbeitspolitik in der Automobilindustrie am Scheideweg. Frankfurt am Main/New York.

Wagner, Hilde (2005): „Rentier’ ich mich noch?“ Neue Steuerungskonzepte im Betrieb. Hamburg.

Christian Zeller (Hg.) (2004), Die globale Enteignungsökonomie. Münster.

[1] Von der umfangreichen regulationstheoretischen Literatur sei hier stellvertretend verwiesen auf Aglietta 1979, Lipietz 1983, 1985 und 1998, Brand/Raza 2003.

[2] „Das Akkumulationsregime ist ein Modus systematischer Verteilung und Reallokation des gesellschaftlichen Produkts, der über eine längere Periode hinweg ein bestimmtes Entsprechungsverhältnis zwischen den Veränderungen der Produktionsbedingungen (dem Volumen des eingesetzten Kapitals, der Distribution zwischen den Branchen und den Produktionsnormen) und den Bedingungen des Endverbrauchs (Konsumnormen der Lohnabhängigen und anderer sozialer Klassen, Kollektivausgaben, usw. ...) herstellt“ (Lipietz 1985, 120).

[3] Im Modus der Reproduktion der Arbeitskraft artikulieren sich das Lohnverhältnis und Geschlechterverhältnisse. Unter anderem die Untersuchungen des Fernand Braudel Center zur Bildung von Haushalten und zur Reproduktion der Arbeitskraft haben deutlich gemacht, dass die globale Ausdehnung der Lohnarbeit überwiegend mit der Bildung halbproletarischer Haushalte verbunden ist (vgl. Smith/Wallerstein 1992).

[4] Ich orientiere mich hier begrifflich an Guttmann (1994, 37ff). Der hier verwendete Begriff des Finanzkapitals ist nicht mit dem von Hilferding und Lenin zu verwechseln, die unter Finanzkapital die Verschmelzung von Industriekapital und Bankkapital unter der Dominanz des letzteren verstanden.

[5] Stellvertretend für die Vielzahl neuerer Kapitalismusanalysen seien die folgenden Arbeiten genannt: Altvater 2005, Bischoff 2006, Brenner 2006, Candeias 2004, Duménil/Lévy 2004, Harvey 2005, Haug 2003.

[6] Die Lohnquote ist in den letzten beiden Jahrzehnten in den kapitalistischen Metropolen erheblich gesunken. Die Entwicklung der Reallöhne bleibt deutlich hinter dem Wachstum der Produktivität zurück. Dies ist ohne Zweifel ein zentrales Moment der Erholung der Profitabilität des Kapitals.