Linke Parteien in Europa

Die Kommunisten und die radikale Linke in Griechenland

September 2008

In den 1980er Jahren verfolgte die regierende Panhellenische Sozialistische Bewegung (PASOK) eine linke Politik, auch wenn sie nie das Maß erreichte, das Andreas Papandreou mit seiner Rhetorik setzte. Ihre zweite Regierungsära, beginnend 1993, war dagegen von einer Wirtschaftspolitik gekennzeichnet, deren Ziel es war, den Maastrichter Kriterien zu entsprechen. Heute stehen die Sozialisten in einem Klärungsprozess mit vielen offenen Fragen. Neben der PASOK als Mitte-Links-Partei zeichnet Griechenland das Vorhandensein weiterer linker Kräfte aus, von denen die Kommunistische Partei Griechenland (Kommunistiko Komma Ellados, KKE) und die Koalition der Linken, der Bewegungen und der Ökologie (Synaspismos tis Aristeras ton Kinimaton kai tis Oikologias, SYN) mit Abstand die wichtigsten sind. Daneben existieren viele andere Parteien und Organisationen, die sich dem linken Spektrum zurechnen. Allein sechs davon traten bei der letzten Parlamentswahl im September 2007 an. Dabei reicht die ideologische Ausrichtung von den gemäßigten Sozialisten über Maoisten bis hin zu Verschwörungstheoretikern.[1] Die Existenz von zwei Parteien links der Sozialdemokratie, die beide großen Wählerzuspruch haben, in einem Umfeld, das eigentlich die Erstarrung der Linken in ideologischen Grabenkämpfen befördern würde, ist außergewöhnlich.

KKE und Synaspismos tragen beide das Erbe der kommunistischen Bewegung mit sich und repräsentieren die zwei gegensätzlichen Pole ihrer Entwicklung fast schon bildhaft. Für die europäische Linke sind sie von großer Bedeutung und verdienen es, auch in Deutschland eine genauere Darstellung zu erfahren.

Geschichte der Kommunisten und der Linken seit 1989

Das Wendejahr 1989 ist für die griechische Linke bis heute von entscheidender Bedeutung, wenn auch die Gründe nicht in Berlin liegen, sondern in Athen. Zu Beginn dieses schicksalträchtigen Jahres hatten sich die an der Sowjetunion orientierte KKE und die eurokommunistische Griechische Linke zusammen gefunden und bildeten die Koalition der Linken und des Fortschritts (Synaspismos tis Aristeras kai tis Proodou).[2] Die Allianz war von Anfang an brüchig, verfehlte aber die Wirkung bei den Wählern nicht. Im Juni erreichte sie bei den Parlamentswahlen 13,1% und stellte 28 der 300 Abgeordneten. Keine der beiden großen Parteien erreichte eine absolute Mehrheit. Was darauf folgte, gilt bis heute als einer der großen historischen Fehler der griechischen Linken.[3] Um dem Ministerpräsidenten Andreas Papandreou die Immunität zu entziehen und ihn aufgrund eines Skandals vor Gericht stellen zu können, gingen die konservative Nea Dimokratia und Synaspismos eine Koalitionsregierung ein. Nach Neuwahlen im November, die ebenfalls nicht die gewünschte Alleinregierung für die Nea Dimokratia ermöglichten, unterstützten sie bis zu den wiederum anberaumten Wahlen im April 1990 eine Übergangsregierung. Die Regierungsbeteiligung sorgte für tiefe Unzufriedenheit in der griechischen Linken und belastete insbesondere das Verhältnis zur PASOK auf viele Jahre.

Bald holten auch die internationalen Entwicklungen das Linksbündnis ein. Der 13. Parteitag der KKE im Februar 1991 verlangte angesichts des Auseinanderbrechens der Sowjetunion nach einer Richtungsentscheidung. Nachdem der hoch geachtete, langjährige Generalsekretär Charilaos Florakis erklärte, die Führung der Partei nicht noch einmal übernehmen zu wollen, wurde unter kontroversen Umständen und mit nur engem Vorsprung Aleka Papariga in das Amt gewählt. Damit setzte sich der traditionalistische Flügel in der Partei durch, der im Folgenden die Reformer innerhalb des ZK ausschloss und im Juni die Zusammenarbeit mit Synaspismos auflöste.

Nachdem die KKE damit von den Abweichlern gesäubert war, wandelten Reformkommunisten und verbliebene Mitglieder den Synaspismos im Juni 1992 in eine eigenständige Partei um. Bei den Parlamentswahlen im Oktober 1993 verpaßten sie mit 2,94% knapp den Einzug ins Parlament, während die KKE immerhin noch 4,54% erreichte und 9 Abgeordnete stellte. Die Vorsitzende von Synaspismos, Maria Damanaki, kündigte ihren Rücktritt an. Ihr folgte Nikos Konstantopoulos nach, der die Partei in der Folgezeit wesentlich zu stärken vermochte. Drei Jahre später gelangte sie mit 5,1% ins Parlament und stellte 10 Abgeordnete.

Die KKE hatte sich inzwischen auf dem 15. Parteitag ein neues Programm gegeben, das bis heute gilt. Ihrem Selbstverständnis nach blieb die Partei eine revolutionäre Organisation und Avantgarde der Arbeiterklasse. Ihre Wahlergebnisse blieben konstant: 1996 erreichte sie 5,6%, 2000 5,5% und 2004 5,9%. Stets höher war der Zuspruch bei Europawahlen. Eine letzte Spaltung in den Führungsgremien der Partei erfolgte 2000, als der ehemalige Vizepräsident des Griechischen Parlaments und ein Europaabgeordneter ausgeschlossenen wurden.[4]

Für Synaspismos brachten die Wahlen von 2000 hingegen einen Einbruch, sie erreichte nur 3,20% und war nur noch durch 6 Abgeordnete im Parlament vertreten. Es war eine Bewegung zu den großen Parteien hin zu beobachten, die zusammen auf 86,5% kamen. Die Demokratische Bewegung (DIKKI), eine linke Abspaltung der PASOK, schied ganz aus dem Parlament aus. Das enttäuschende Abschneiden führte zu einer stärkeren Ausrichtung als gesellschaftliche Bewegung. Verstärkt wurde der Dialog mit außerparlamentarischen Kräften geführt, die Synaspismos in ihren Zielen nahe standen. Aus diesem Forum gingen zunächst bei den Kommunalwahlen 2002 Wahlunterstützungen hervor. Auf einem Programmparteitag wurde die Umbenennung in „Koalition der Linken, der Bewegungen und der Ökologie“ beschlossen. Schließlich wurde für die Parlamentswahlen von März 2004 ein Wahlbündnis unter dem Namen „Koalition der Radikalen Linken“ (Synaspismos Rizospastikis Aristeras, SYRIZA) gegründet. Die gemeinsame Plattform des Synaspismos mit vier weiteren Parteien und Organisationen kam auf 3,26%, während die Nea Dimokratia nach elf Jahren an die Regierung zurückkehrte. Angesichts eines Rechtsrucks in der griechischen Politik und der Ungewissheit im Wahlkampf, ob sie wieder ins Parlament einziehen könnte, wurde das Ergebnis mit Erleichterung aufgenommen. Die kleineren Parteien des SYRIZA blieben aber ohne parlamentarische Vertretung, was in den folgenden Monaten für eine Krise sorgte. Bei den Europawahlen im Juni trat Synaspismos alleine an, während die anderen Parteien des Bündnisses eine eigene Liste aufstellten.

Auf dem vierten Parteitag im Dezember 2004 wählten die Delegierten den Kandidaten des marxistischen Flügels, Alekos Alavanos, zum Vorsitzenden. Beschlossen wurde weiterhin, das gesellschaftliche Linksbündnis neu zu beleben. So trat Synaspismos während der Kommunalwahlen 2006 wieder unter dem gemeinsamen Banner des SYRIZA an und erreichte lokal beachtenswerte Erfolge.

Aktuelle Entwicklungen

Bei den jüngsten Wahlen im September 2007 verloren beide große Parteien an Zustimmung, und für die Nea Dimokratia reichte es trotz des Wahlrechts, das die erste Partei begünstigt, nur knapp zu einer parlamentarischen Mehrheit. Die PASOK verlor noch einmal in der Wählergunst, während die KKE zulegte und auf 8,15% und 22 Abgeordnete kam. Auch SYRIZA ging mit 5,04% deutlich gestärkt aus der Wahl hervor und stellt nun 14 Abgeordnete. Erstmals gelang dem rechtspopulistischen LAOS der Einzug ins Parlament. In den folgenden Monaten wurde die sich anbahnende Krise des politischen Systems deutlicher. Gegen die Rentenreform der Nea Dimokratia kam es zu massivem Widerstand in großen Teilen der Bevölkerung und mehrfach zum Generalstreik. Skandale und Ankündigungen von Privatisierungen großer Teile der öffentlichen Infrastruktur schüren das Mißtrauen gegenüber dem „Zweiparteiensystem“ weiter. In diesem Klima fand der 5. Parteitag von Synaspismos statt. Alekos Alavanos hatte angekündigt, nicht erneut anzutreten. Zu seinem Nachfolger wurde der 33-jährige Alexis Tsipras gewählt, ebenfalls Vertreter des reformkommunistischen Flügels. Mit dem sehr beliebten Tsipras an der Spitze erreicht Synaspismos derzeit einen bisher nicht gekannten Zuspruch, während die KKE auf ihrem bisherigen Niveau verharrt. Die Debatte um den Wandel hin zu einer politischen Landschaft, die Koalitionen nicht länger ausschließt, ist in Griechenland derzeit ein bestimmendes Thema.[5]

Kommunistische Partei Griechenlands (KKE)

Ideologie und Ziele

Zwei große Spaltungen, bei denen stets der traditionalistische Flügel in der Partei verblieb, haben eine Partei geschmiedet, die „moskautreu“ ist, auch wenn die UdSSR längst nicht mehr existiert. Während andere Kommunisten weltweit nach neuen Wegen suchen, hält die KKE am wissenschaftlichen Marxismus-Leninismus als der stärksten Waffe des revolutionären Klassenkampfes fest. Kürzlich drückte es Manos Kopsidis, Pressesprecher der KKE bis 2002, so aus: „Für Jahrzehnte behandelte die KKE den Marxismus, und behandelt ihn noch heute, wie ein religiöses Dogma.“ Das Geschichtsbild der KKE ist sehr gut ersichtlich aus ihrer Verlautbarung zum 90. Jahrestag der Oktoberrevolution: Die Entwicklung der Sowjetunion bis zur Perestroika wird fast ausnahmslos positiv aufgefasst. Kritik wird durchaus auch für die Zeit vor der Perestroika geäußert, der jedoch ein stark revisionistischer Charakter zugemessen wird. So wird zwar beklagt, daß zuviele Anstrengungen in die Rüstung statt in die Infrastruktur gesteckt wurden. Als bedeutsamer gilt aber, daß nach dem 20. Parteitag die opportunistischen Tendenzen in der Partei an Einfluss gewannen, und das sozialistische System langsam durch kapitalistische Mechanismen geschwächt wurde. Eine besondere Verklärung oder Verurteilung einzelner Parteiführer findet bei der KKE mit Ausnahme Lenins nicht statt, es ist vielmehr der Charakter der KPdSU, dem ihre Aufmerksamkeit gilt.

Die KKE lehnt es ab, den derzeitigen Kapitalismus mit dem Wort Neoliberalismus zu beschreiben. Für sie ist der Imperialismus nach Definition Lenins das Endstadium der kapitalistischen Entwicklung, in dem wir uns bis heute befinden. Auch die Globalisierung ist demnach ein Moment der imperialistischen Entwicklung. Der Übergang zum Sozialismus, der 1917 begann, ist noch immer im Prozess begriffen, wenn auch durch die Konterrevolution eine Schlacht verloren wurde. Aufgabe und Ziel bleibt es für die KKE, die sozialistische Gesellschaft als Vorstufe des Kommunismus in Griechenland aufzubauen, und zwar in der Form, wie sie bereits in der Sowjetunion existierte.[6]

Für die Wahlen 2007 vertraute die KKE auf die verbreitete Stimmung gegen die großen Parteien und Forderungen, die unter anderem folgende Punkte in der Sozialpolitik beinhalten:

- Mindestlohn von monatlich 1300 Euro und Mindestrenten von 1050 Euro bei einem Rentenalter von 55 Jahren für Frauen und 60 Jahren für Männer;

- kostenlose Kinderbetreuung;

- kostenlose öffentliche Dienste;

- die 35-Stunden Woche;

- Steuerfreibetrag von 30.000 Euro für vierköpfige Familien, keine indirekte Besteuerung grundlegender Gebrauchsgüter und Nahrungsmittel;

- öffentliche Wohnbauprogramme, Recht auf Sport, Tourismus und Kultur.

Aufgrund der verheerenden Waldbrände kurz vor der Wahl nahm die KKE wie andere Parteien trotz ihres kaum ausgeprägten Umweltprofils entsprechende Forderungen auf. Die Wälder sollen demnach unter strikte Kontrolle des Staates gestellt werden. Weitergehende Konzepte für eine umweltgerechte Politik hat die Partei derzeit nicht.

Organisation und Milieu

In den Statuten der Partei ist die Organisation nach den Grundsätzen des Demokratischen Zentralismus festgeschrieben. Mitglieder haben verschiedene Pflichten, darunter, die Partei an ihrem Arbeitsplatz zu repräsentieren, an den Treffen der Basisorganisationen teilzunehmen, ihre Beschlüsse und die der oberen Gremien ungeachtet der eigenen Meinung umzusetzen und die Verbreitung der Parteizeitung und ihrer anderen Medien zu steigern. Zudem sollen sie sich im Marxismus-Leninismus schulen und die Theorie gegen linke und rechte Abweichler und die Bourgeoisie verteidigen. Daß die Praxis dennoch anders aussieht, sollte nicht verwundern. Als Debattierclubs und Ort des wissenschaftlichen Austausches sind die Parteitreffen nicht zu bezeichnen, im Vordergrund steht die Aktion. Dabei handeln gerade die einfachen Mitglieder der Partei praxisnah und nehmen sich konkreter Probleme an.

Lenkungsorgan der Partei ist das Zentralkomitee, das in der Regel alle vier Monate zusammentritt. Aus seinen Reihen werden das Politbüro und ein Generalsekretär berufen. Das auf dem letzten Parteitag im Februar 2005 gewählte Zentralkomitee setzt sich aus 77 Mitgliedern zusammen, von denen 14 Frauen sind. Im Politbüro, das die Partei zwischen den Treffen des ZK leitet, sitzen 11 Mitglieder, darunter zwei Frauen. Die größte Unterstützung erfährt die KKE in den agrarischen Regionen Mittelgriechenlands und auf den Inseln, ist zudem aber auch in den Großstädten stark. Die Mehrheit ihrer Wähler sind Arbeiter oder Bauern mit einfacher oder mittlerer Bildung und einem Alter von über 30 Jahren.

Die KKE bringt eine Tageszeitung heraus, den Rizospastis („Radikaler“), deren Sonntagsausgabe im März 2008 eine Auflage von 24.550 hatte. Zu den weiterhin wichtigen Printmedien gehört das theoretische Organ des ZK, die Kommunistische Revue. Wissenschaftlichen Marxismus-Leninismus betreibt sie über das Zentrum für Marxistische Forschung in Athen. Daneben unterhält die Partei einen Radiosender und einen Fernsehkanal; in letzterem laufen auch Werbesendungen. Ihre Jugendorganisation, die Kommunistische Jugend Griechenlands (KNE), ist sehr eng mit der Partei verknüpft und folgt ihrer Programmatik. Ihre monatliche Zeitschrift ist der Odigitis („Leitfaden“). Im Feld der Gewerkschaften besitzt die KKE ihre eigene Organisation, die Militante Front aller Arbeiter (PAME), der nach eigenen Angaben 460.560 Mitglieder angehören. Auch PAME folgt den Leitlinien der Partei, ist aber als Interessensvertretung der in ihr zusammengeschlossenen Arbeiter nicht zu unterschätzen.

Verhältnis zu anderen gesellschaftlichen Akteuren

Allen ihr nicht angeschlossenen oder nahestehenden Organisationen, Parteien und Bewegungen steht die KKE kritisch bis ablehnend gegenüber. Gleichzeitig ist sie, als eine fest etablierte Größe in der griechischen Politik, nicht sosehr ausgegrenzt wie kommunistische, insbesondere marxistisch-leninistische, Parteien in anderen Ländern. An der Beerdigung ihres ehemaligen Generalsekretärs Florakis nahmen die höchsten Vertreter des Staates, der Parteien und der Kirche teil. Auf ihren Parteitagen sind Nea Dimokratia, PASOK und andere Parteien eingeladen, niemals aber Synaspismos. Reformkommunistische Parteien, die stärker den Dialog mit der Gesellschaft suchen, gelten als „opportunistisch“ und unterstützen nach Meinung der KKE den durch die Oktoberrevolution eingeschlagenen Weg zum Sozialismus nicht.

Ohnehin ist die Frontstellung gegen die linke Konkurrenz ausgeprägt. Denn im Gegensatz zu den Konservativen berufen deren Kräfte sich auf ähnliche oder gleiche Traditionen. Gerade die Sozialdemokratie als sozialer Deckmantel des Kapitalismus gilt als verwerflich. Während der Regierungszeit der PASOK war sich die KKE nicht zu schade, auf lokaler Ebene die Nea Dimokratia zu unterstützen, wenn dies bedeutete, die PASOK aus dem Amt zu jagen. Neuerdings, mit der gestiegenen Bedeutung des Synaspismos, hat sich eine neue Front aufgetan. Sie wie bisher zu ignorieren funktioniert nicht mehr. Die KKE hat ihre Agitation gegen das Linksbündnis ausgeweitet. Sie bestreitet, dass es in der Grundorientierung einen Unterschied zwischen SYN und PASOK gibt. Das führt zu Anschuldigungen der Generalsekretärin wie: „Das Kapital unterstützt das Szenario PASOK-SYN“ oder „Mit Happenings und Tricks kann keine Umwälzung der politischen Landschaft stattfinden.“ Der beobachtete Linksruck in der Bevölkerung würde nach Meinung von Paparigas unter einer solchen Regierung in einen Rechtsruck umgewandelt werden.

Internationale Beziehungen

Obwohl die KKE nicht Mitglied eines Parteienbündnisses auf der europäischen oder weltweiten Ebene ist, unterhält sie doch internationale Beziehungen. Sie verfolgt die Schaffung eines ‚kommunistischen Pools’, der Parteien vereint, die auf nationaler Ebene gegen Kapitalismus und Imperialismus kämpfen. Ideologisch stellt dies kein Problem dar, da es bis heute reale Beispiele für Staaten gibt, die sich aus dem System lösen konnten – konkret bis heute Kuba, China, Vietnam und die Volksrepublik Korea, wobei für die Volksrepublik gilt, daß die kapitalistische Restauration eine Gefahr darstellt. 1998 begann die KKE in Athen damit, jährliche informelle Treffen von kommunistischen und Arbeiterparteien zu organisieren, die inzwischen auch außerhalb Griechenland abgehalten werden. Inmitten einer Vielzahl häufig kleiner Parteien nimmt die KKE eine gewisse Führungsrolle ein. Den linken Regierungen in Südamerika steht sie positiv gegenüber. Offene Solidarität hat sie dem Kampf der FARC in Kolumbien erklärt, wie auch wiederholt Völkern, in deren Ländern Bürgerkriege oder Aufstände gegen US-Besatzung oder US-freundliche Regierungen stattfinden. Einige Politiker der KKE verbinden ihre Kritik des Westens mit nationalistischen Positionen, allen voran die Journalistin Liana Kanelli. Sie ist Herausgeberin der Zeitschrift ‚Nemesis’, das Sprachrohr für diese Tendenzen ist, die nicht nur in der Partei zu finden sind.

Im Europäischen Parlament, wo sie drei Abgeordnete stellt, ist die KKE Teil der Fraktion GUE/NGL. Das ist insofern ein Widerspruch, als sie in vollkommener Opposition zur EU, aber auch in großer Distanz zu fast allen anderen Parteien der Fraktion steht, insbesondere den Mitgliedern der Europäischen Linkspartei, denen sie vorwirft, im Rahmen des imperialistischen Konstrukts der EU zu handeln. Die Frage, ob die KKE durch ihre Partizipation nicht selbst die EU als Bestandteil der heutigen kapitalistischen Realität und damit als Handlungsfeld akzeptiert, stellt sie sich nicht. Ihr letzter Europawahlkampf lief unter der Parole, durch die Unterstützung der KKE mit der EU und den anderen Parteien abzurechnen.[7]

Koalition der Linken, der Bewegungen und der Ökologie (Synaspismos)

Ideologie und Ziele

In seinem 2003 verabschiedeten Programm definiert sich Synaspismos als eine Partei der Linken, die von Gruppen und Menschen gebildet wird, die aus dem kommunistischen, sozialistischen und sozialdemokratischen Raum kommen, aber auch aus der sozialen Bewegungen für Demokratie, Ökologie und Frauenbefreiung sowie der Jugend. Die Einigung dieser und weiterer fortschrittlicher Kräfte wird angestrebt, wobei es nicht darum gehen soll, sie einfach einem politischen Programm unterzuordnen. Stattdessen soll aus ihren Erfahrungen heraus eine neue gesellschaftliche Perspektive und Strategie gewonnen werden, die den demokratischen Sozialismus anstrebt und sich mit den Werten der Ökologie, des Feminismus und des Pazifismus identifiziert. Dieses Selbstverständnis bringt es mit sich, dass die Partei die historische Entwicklungen der Linken in beiden Lagern der Kalten Krieges kritisch betrachtet: im Osten gehören dazu die Oktoberrevolution, die politischen Systeme des real existierenden Sozialismus[8] und der Prager Frühling; im Westen neben anderen der Weg der Sozialdemokratie zu einem Stützpfeiler des kapitalistischen Systems, der Mai 1968, der Eurokommunismus und die Neue Linke. Für das Selbstverständnis entscheidend sind natürlich auch die Erfahrungen innerhalb der griechischen kommunistischen und sozialistischen Bewegung mit ihren Exponenten KKE und PASOK, in der einer Alternative bisher kaum Raum gegeben war.

Die Gegenwart ist für Synaspismos durch die neoliberale, kapitalistische Globalisierung und die Vorherrschaft der USA bestimmt. Während die Komplexität der Entwicklungen nicht unterschätzt wird, sind doch Tendenzen deutlich auszumachen: der Abbau demokratischer und sozialer Errungenschaften, die Mißachtung des internationalen Rechts und der UN, die Zuspitzung der bestehenden Widersprüche im kapitalistischen System und dessen Ausweitung in alle Lebensbereiche. Während aber die Sozialdemokratie sich ergeben hat und die Medien die Unausweichlichkeit der Globalisierung bis hin zum Dogma vom Ende der Geschichte rezitieren, entstehen auch neue Formen des Protests und Widerstands. Gegen das globalisierte Kapital entsteht eine neue, globalisierte Linke und damit die Hoffung und Möglichkeit für eine andere Welt, in welcher der Mensch über den Profiten steht. Insbesondere die jüngeren Vertreter von Synaspismos, darunter auch Alexis Tsipras, beziehen sich überwiegend auf die Entwicklungen seit 1990, die sie selbst erlebt haben.

Im griechischen Parteienspektrum vertritt Synaspismos am stärksten postmaterialistische Werte. Die Partei bezieht sich aber wesentlich auf Marx und betont, dass seine Kapitalismuskritik Grundlage für das Handeln der Linken bleiben muss. Gleichzeitig wird angemerkt, daß kein menschliches Werk alle zukünftigen gesellschaftlichen Probleme voraussagen konnte, was zur Bildung vieler „Marxismen“ geführt habe. Eine rein wissenschaftliche Herangehensweise an die Probleme der Gegenwart, zumal auf Grundlage einer exklusiven Ideologie, wird abgelehnt. Bekannte linke Theoretiker wie Luxemburg und Gramsci, aber auch moderne Intellektuelle wie Chomsky erfreuen sich im Diskurs der Partei großer Beliebtheit.

Das Wahlprogramm des SYRIZA umfasste unter anderem die folgenden sozialen Forderungen:

- die Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ;

- ein Ende der Privatisierungen, insbesondere in öffentlichen Einrichtungen;

- Erhöhung des Mindestlohns und Angleichung der Gehälter an europäische Standards;

- grundlegende Änderung des Steuersystems, unter anderem Senkung der Mehrwertsteuer und Erhöhung der Steuern für Unternehmensgewinne;

- Sicherung der staatlichen Rente.

Daneben wurde Gewicht gelegt auf die Demokratisierung der Gesellschaft, Gleichstellung der Geschlechter, die Förderung alternativer Energien und die Friedenspolitik.

Organisation und Milieu

Synaspismos versteht sich als pluralistische Partei mit dezentralem Charakter, was sich in den Statuten widerspiegelt. Die Funktionen sind auf drei Ebenen verteilt – das Zentrale Politische Komitee, Provinzorganisation und Basisorganisation – und zu zentralen Fragen sind griechenlandweite Mitgliederentscheide vorgesehen. Der Eintritt in die Partei und die damit einhergehenden Verpflichtungen sind im Vergleich zur KKE wesentlich unkomplizierter geregelt. Ausdrücklich angemerkt ist, dass auch in Griechenland lebende Ausländer Mitglied werden dürfen.

Zum Aufbau des Synaspismos gehören auch seine verschiedenen politischen Plattformen, die in der Praxis bedeutsam sind. Die beiden wichtigsten sind die Linke Strömung und der Erneuernde Flügel, die beide beim letzten Parteitag Kandidaten für den Parteivorsitz stellten. Der Erneuernde Flügel unter seinem Kandidaten Fotis Kouvelis stellt den reformorientierten Teil der Partei dar, der für eine Regierungsbeteiligung mit der PASOK eintritt. In den letzten Jahren zunehmend einflussreicher und mit Alekos Alavanos den vorherigen und Alexis Tsipras den jetzigen Parteivorsitzenden stellend, ist die Linke Strömung, die marxistische und eurokommunistische Positionen vertritt. Neben diesen beiden Plattformen sind noch das Rot-Grüne Netzwerk, das ökologische Positionen betont, und die Initiative für den Linken Wiederaufbau zu nennen, die den linken Rand der Partei bildet.

Das Zentrale Politische Komitee wählt als höchstes Organ die Mitglieder des Politischen Sekretariats und den Generalsekretär, nicht aber den Parteivorsitzenden. Derzeit umfasst es 125 Mitglieder, von denen 40 Frauen sind. In der Regel tritt es alle drei Monate zusammen. Seine Wahl erfolgt auf den Parteitagen, die alle drei Jahre stattfinden, und auf denen zudem das Finanzkomitee und der Vorsitzende durch die Delegierten gewählt werden. Das Politische Sekretariat ist der geschäftsführende Vorstand und umfasst derzeit 17 Mitglieder, darunter eine Frau. Für die Leitung der Partei gilt ansonsten in den meisten Organen eine Frauenquote, die dem Anteil der Frauen an der Mitgliedszahl des Synaspismos entspricht.

Mit Abstand am stärksten ist Synaspismos in den städtischen Großräumen Athen und Thessaloniki, in einigen Regionen ist von einer Präsenz kaum zu sprechen. Ihre Wähler findet sie in allen Altersgruppen mit Ausnahme der Rentner, wobei sie seit der Wahl von Alexis Tsipras zum Vorsitzenden insbesondere bei den 18-35-jährigen an Popularität gewonnen hat. In der Arbeiterschaft erreicht sie gute Wahlergebnisse, bleibt aber weit hinter der KKE zurück. Die größte Unterstützung findet sie bei Menschen mit gehobenem Bildungsniveau und Universitätsabschluß.

Auch Synaspismos bringt eine Tageszeitung heraus, die Avgi („Morgendämmerung“), deren Sonntagsausgabe im März 2008 eine Auflage von 5.840 hatte. Das Nikos Poulantzas Institut bringt verschiedene politische Schriften heraus und gehört dem europäischen Netzwerk Transform! an. Daneben unterhält sie einen Radiosender. Ihre Jugendorganisation, die Jugend des Synaspismos (Neolaia Synaspismou), hat in den letzten Jahren stärkeren Zulauf gehabt und steht der Partei inhaltlich nahe. Ihre Zeitschrift ist die Enedra („Hinterhalt“). Eine dem PAME vergleichbare Gewerkschaftsorganisation hat Synaspismos nicht, was angesichts ihres Wählermilieus nicht erstaunt. So spielte die ihr nahestehende Autonome Intervention zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Gewerkschaftern bisher eine untergeordnete Rolle.

Verhältnis zu anderen gesellschaftlichen Akteuren

Synaspismos strebt die Schaffung eines gesellschaftlichen Linksbündnisses an. Das geschieht vor allem unter dem Dach des SYRIZA, der nach den guten Ergebnissen der letzten Wahl dabei ist, sich zu festigen und eigene Strukturen aufzubauen. In SYRIZA sind derzeit zwölf Parteien, soziale Bewegungen und Organisationen versammelt, von denen neben Synaspismos die Erneuernde Kommunistische und Ökologische Linke (AKOA mit Beobachterstatus in der Europäischen Linken), die Demokratische Sozialbewegung (DIKKI, in den 90er Jahren eigenständig im griechischen Parlament vertreten) und die Aktiven Bürger am bedeutsamsten sind. Die Plattform des SYRIZA unterscheidet sich inhaltlich nicht grundlegend von den Positionen des Synaspismos. Sie betont die scharfe Abgrenzung gegenüber der PASOK und Mitte-Links-Regierungen, strebt vielmehr nach dem Aufbau eines „dritten Pols“ in der Gesellschaft, um ihren grundlegenden Wandel zu erreichen. Ideologische Auseinandersetzungen spielen im SYRIZA bisher kaum eine Rolle, da in ihren konstituierenden Elementen die „undogmatische“ Linke überwiegt und an den gegenwärtigen Problemen orientierte Lösungen gesucht werden. Parteien und Organisationen mit einem hohen Grad an Ideologisierung steht Synaspismos sehr kritisch gegenüber.

In diese Kategorie fällt natürlich auch die KKE, die jedoch aufgrund ihrer Verwurzelung in Teilen der Bevölkerung unumgänglich für die Bildung einer neuen Linken ist. Der Synaspismos-Vorsitzende Tspiras unterstützt die Ansicht, daß gemeinsames Handeln in bestimmen Bereichen stattfinden könnte, um eine Antwort auf die Regierungspolitik zu geben. Das Selbstbild der KKE und ihre Blockadehaltung verhindert aber eine entsprechende Bündnispolitik, und aufgrund der zentralistischen Führung der Partei gibt es diese Möglichkeit auch auf lokaler Ebene nicht. Es ist nicht zu erwarten, dass die historisch entstandenen Gräben zwischen beiden Linkskräften bis zum Parteitag der Kommunisten im nächsten Jahr in irgendeiner Weise überwunden werden.

Die größte Zustimmung für eine mögliche Koalitionsregierung besteht in der griechischen Bevölkerung für das Szenario PASOK-Synaspismos, und in beiden Parteien gibt es ausgesprochene Fürsprecher dafür. Berührungsängste sind kaum vorhanden, zumal viele führende Mitglieder der PASOK früher Kommunisten waren. Die Vorstellungen über die Inhalte einer gemeinsamen Regierung reichen aber weit auseinander. Der größte Teil der Partei sieht Synaspismos, aber auch SYRIZA, als eine oppositionelle Kraft, die nicht Regierung um der Regierung Willen übernehmen sollte. Die Beispiele entsprechender Regierungskoalitionen in anderen europäischen Ländern sind ihnen Warnung, daß grundlegende Änderungen nicht einfach durch die Übernahme von Ministerposten stattfinden können. Angesichts der fehlenden inhaltlichen Neuausrichtung und interner Zerstrittenheit der PASOK ist es offen, wie das Verhältnis der beiden Parteien sich bis zur nächsten Wahl gestalten wird.

Gegenüben den Grünen Ökologen, der griechischen grünen Partei, bestehen in der Umweltpolitik kaum Gegensätze, weshalb eine Zusammenarbeit in diesem Bereich kein Problem für Synaspismos darstellt. Eine Teilnahme der Grünen an SYRIZA ist aber nicht zu erwarten, da sie als eigenständige Partei erst im Entstehen begriffen sind und ihr sonstiges Profil, soweit vorhanden, nicht antikapitalistisch ist.

Internationale Beziehungen

Synaspismos kann als eine der treibenden Kräfte innerhalb der Partei der Europäischen Linken gelten, deren Gründungskongreß in Athen stattfand. Den Grundkonsens in der EL teilt Synaspismos aufgrund seiner inhaltlichen Ausrichtung problemlos, zudem gehört sie zu den Parteien, die über vergleichsweise großen Zuspruch verfügen und auch in der GUE/NGL einen Abgeordneten stellt. Auch unabhängig von der EL pflegt sie zur Partei DIE LINKE ein intensives Verhältnis. In der Europäischen Antikapitalistischen Linken hat Synaspismos Beobachterstatus. Aktiv mit Globalisierungskritikern zusammenarbeitend, waren sie maßgeblich an der Ausrichtung des Europäischen Sozialforums 2006 in Athen beteiligt.

Unter den letzten verbliebenen realsozialistischen Staaten gilt die größte Solidarität Kuba, wenn auch nicht uneingeschränkt. Dies trifft auch auf Venezuela und die anderen linken Regierungen der Region zu. Das politische System Nordkoreas wird abgelehnt, die Entwicklungen in China nicht nur positiv aufgefasst, insbesondere die Menschenrechts- und Umweltpolitik wird scharf kritisiert.

[1] So traten bei der Wahl 2007 neben der KKE noch folgende KPs an: Die maoistische KKE (Marxisten-Leninisten), die 10.764 Stimmen auf sich vereinigte; die ebenfalls maoistische Marxistisch-Leninistische KKE, die 4.846 Stimmen bekam; und die Organisation für den Wideraufbau der KKE, kleinste im Bunde mit 2.099 Stimmen. Letztere zeichnet sich dadurch aus, daß sie Russland als größten Menschheitsfeind sieht.

[2] Die Griechische Linke wiederum war Nachfolgerin der KKE Intern, die 1968 entstand, nachdem auf dem Budapester Parteitag die Mitglieder des ZK aus der KKE ausgeschlossen wurden, die der Sowjetunion kritisch gegenüberstanden.

[3] So äußerte sich im Juli 2007 auch der Fraktionschef der SYRIZA (Koalition der Radikalen Linken, Synaspismos Rizospastikis Aristeras, SYRIZA), Alekos Alavanos.

[4] Sie gründeten daraufhin die Bewegung für die gemeinsame Aktion der Linken, die inzwischen Mitglied von SYRIZA ist.

[5] In deutscher Sprache dazu: Vernadakis, Christoforos: Vom Zweiparteiensystem zum Mehrparteiensystem, in: transform! 2, 2008, S.126-130.

[6] Vgl.: Die Kanonen der Aurora werden wieder feuern, Referat von Aleka Papariga auf der 13. Rosa-Luxemburg Konferenz; in: Junge Welt, 30.1.2008.

[7] Vgl. zum Verständnis der internationalen Politik der KKE: Linke Parteien und Kooperationen in Europa – ein Überblick, Hamburger Skripte der RLS, Ausgabe 10, Oktober 2004. S.6 f.

[8] Im Sprachgebrauch des Synaspismos „Regime des real existierenden Sozialismus“, bisweilen werden sie auch als „totalitär“ bezeichnet.