Wir trauern um Ursula Schumm-Garling (20.3.1938-20.4.2021)

Eingestellt, 26.4.21

26.04.2021

Fragt man Menschen, die Ursula Schumm-Garling seit langem kannten, wie man eine Begegnung mit ihr charakterisieren könnte, so lauten fast immer die Antworten: Sie war warmherzig und sympathisch und stets optimistisch. Auch als sie in den letzten Wochen in der Klinik ans Bett gefesselt war, blieb sie optimistisch. Trotz einer langen Leidensgeschichte aufgrund von Vorerkrankungen und Operationen wollte sie im Frühjahr zurück in ihr altes Leben. Aber eine Corona-Infektion in der Reha-Klinik leitete dann das Ende ein. Am Montagmorgen des 20. April verstarb sie.

Ihre letzte Veröffentlichung erschien im März 2021 in der Zeitschrift Z (Zeitschrift Marxistische Erneuerung). Es war eine Besprechung des letzten Buches von Udo Achten „Der Auslöser. Fotojournalist Klaus Rose“ (Düsseldorf 2020). Udo Achten war im Februar 2021 gestorben. Ursels zentrale Aussage in der Rezension: „Diese Veröffentlichung wird getragen von dem Gedanken, wie stark der militante Antikommunismus die Gründerjahre der Bundesrepublik Deutschland geprägt hat.“

Der Zeitschrift Z war Ursula Schumm-Garling seit der Gründung im März 1990 eng verbunden. Sie gehörte zu den ersten Herausgeberinnen und später zum neu konstituierten Redaktionsbeirat. Wenn die Sitzungen der Z-Redaktion in Berlin stattfanden, hat Ursel – so nannten wir sie – gerne teilgenommen und sie mit Anregungen bereichert. Darüber hinaus hat sie in vielen Gewerkschaftspublikationen und in der Zeitschrift Sozialismus publiziert.

Die enge Zusammenarbeit mit Ursel begann schon in den 1980er Jahren. Sie war seit 1974 Professorin für Soziologie an der Universität in Dortmund, behielt aber ihren Wohnsitz in Frankfurt bei und nahm auch Lehraufträge an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität wahr. In Frankfurt entstand ihr Kontakt zum Institut für marxistische Studien und Forschungen (IMSF). Seit ihrer Dissertation, die 1972 im Suhrkamp-Verlag erschien, gehörten Themen der Arbeitswelt, darunter der Technikentwicklung und der Frauenerwerbstätigkeit, zu ihren inhaltlichen Schwerpunkten. Da das IMSF auch auf diesem Gebiet forschte und publizierte, suchte sie die Zusammenarbeit. Insbesondere zum Thema Technikentwicklung besaß Ursula Schumm-Garling eine große Expertise, denn sie war von 1968 bis 1974 Leiterin der Abteilung Automation und Modernisierungspolitik beim Hauptvorstand der Gewerkschaft ÖTV.

In den Jahrbüchern des IMSF – Marxistische Studien – sind mehrere Beiträge von ihr zu finden. 1984 schrieb sie einen Artikel zum Thema „Ansatzpunkte gewerkschaftlicher Technologiepolitik: Technologieberatungsstellen und Konversionsarbeitskreise“ und 1987 zur Frage „Neue Technik und Rationalisierung von Angestelltenarbeit“. Auf einer Arbeitstagung des IMSF 1985 setzte sie sich unter anderem neben André Leisewitz und Karin Benz-Overhage mit der damals intensiv diskutierten Kern-Schumann-Studie „Das Ende der Arbeitsteilung?“ auseinander.[1] Auch in der Zeitschrift Z publizierte sie weiterhin zu diesen Themenfeldern, beispielsweise in Z 103 (September 2015) zum Thema „Gewerkschaften und die digitale Arbeitswelt“. Ursel prognostizierte, dass die Digitalisierung der Arbeitswelt das ganze System der Arbeitsbeziehungen umwälzen wird. Folgen seien unter anderem eine Prekarisierung und Entgrenzung der Arbeit – für die Gewerkschaften bis heute zentrale Herausforderungen.

Ihr weiteres Schwerpunktthema waren Aspekte der Frauenerwerbstätigkeit. In Z 110 (Juni 2017) fragt sie nach „veränderten Geschlechterbeziehungen“, da Frauen in wachsendem Maße berufstätig sind, aber Erwerbsarbeit oft als Teilzeitfalle direkt in die Altersarmut münden kann. Schon in Z 100 (Dezember 2014) werden trotz der Tendenz zur Geschlechtergleichstellung vielfältige Gegenbewegungen und eine neoliberale Offensive insbesondere in der Sozialpolitik analysiert.

Ihr politisches Engagement gehörte in besonderem Maße der Friedensbewegung. Bei den jährlichen Ostermarschabschlusskundgebungen auf dem Römerberg in Frankfurt übernahm sie immer wieder gerne die Moderation. An einer internationalen Konferenz zum Frieden im Irak im Januar 2002 in Istanbul konnte sie teilnehmen. Ihr Bericht über diese Konferenz ist in Z 53 (März 2003) zu lesen.

Eine besondere Stärke von Ursula Schumm-Garling war ihre Gabe, wissenschaftliche und politische Zusammenhänge überzeugend zu vermitteln. Bei Studierenden, bei Gewerkschaften und insbesondere bei Frauenveranstaltungen war sie eine geschätzte Referentin. Im Vordergrund stand immer der Praxisbezug. Während ihrer Tätigkeit an der Dortmunder Universität führte sie Kooperationsseminare, Exkursionen und Betriebsbesichtigungen neben den universitären Lehrveranstaltungen durch und motivierte Studierende zum Dialog mit Vertreterinnen und Vertretern der Praxis. Auch an der ehemaligen Sozialakademie Dortmund, deren Angebot sich besonders an Beschäftigte aus Betrieben und Büros richtete, übernahm sie Lehraufträge. Natürlich war sie auch Vertrauensdozentin der Hans-Böckler-Stiftung.

Ursula Schumm-Garling wurde von der Partei Die Linke in Hessen im Juni 2010 für die 14. Bundesversammlung nominiert. Seit 2014 engagierte sie sich im Ältestenrat der LINKEN sowie als Mitglied der Gesprächskreise „Klassen und Sozialkultur“ und „Frieden“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Mit ihr verliert die Linke eine Mitstreiterin mit großer Kompetenz und Erfahrung und einem Gespür für die Belange der Lohnabhängigen.

Klaus Pickshaus

[1] Die IMSF-Jahrbücher sind in folgendem Archiv zu finden: https://www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de/topic/151.imsf-jahrbuecher.html